Torgau, Kaltort-Ranking 2018

Torgau – Stadt des verschwiegenen rassistischem Mordes

Einwohner*innenzahl: 20.000 (stark alternd & sinkend)
Nur durch eine einstündige Reise mit der S-Bahn von Leipzig entfernt liegt eine kleine Stadt mit pittoreskem Stadtkern. Die Mieten in den pastellfarbenen Häusern sind selbst in der Innenstadt günstig, Fluss und Schloss sorgen für malerische Aussichten und dank des geplanten Glasfaserausbaus ist der Rest der Welt bald nicht mehr ganz so weit entfernt, wie noch zuvor.
Im Sommer kommen die Leute von Außerhalb, die wandern oder radeln die Elbe entlang, bleiben auch mal für mehr als eine Nacht und sorgen für ein bisschen Abwechslung. Denn in der kleinen Stadt kann nicht studiert werden, auch Berufsschulen oder größere Ausbildungsbetriebe gibt es nicht. Dementsprechend sind 67% der Einwohner*innen über 65 Jahre alt, weitere 28% unter 20. Die jungen Leute, insbesondere junge Frauen gehen also weg, hinaus in die Welt. Wer bleiben will, entscheidet sich regelrecht gegen Veränderung. Wenn nicht gerade der Tag der Sachsen gefeiert wird, vertreiben sich viele junge Leute hier die Zeit mithilfe von Crystal Meth.
Als herrschendes Erklärmuster dafür, das im Leben und insbesondere in Torgau vieles so scheiße ist, hat sich längst der Rassismus etabliert. Es gibt kaum eine Zivilgesellschaft, die widerspricht, wenn soziale Probleme auf die mit dem K-Wort oder Z-Wort bezeichneten Migrant*innen im Vorort Nordwest abgeladen werden. Im Gegenteil: Auch in der Lokalpolitik werden die von einer Personalfirma für die Ausbeutung in einer Fleischfabrik aus Osteuropa herangekarrten Menschen als dankbarer Sündenbock genutzt. Und so hat sich in der Stadt hat sich – ob gesteuert oder von selbst – auch über den rassistischen Mordversuch die Erzählung eingebrannt, dass auf dem Marktplatz ein „Ausländer“ herumschoss, na klar, „wegen der Drogen“.
Waffen und Drogen, beides war an dem Abend im Sommer 2017 in der Hand der Torgauer. Der Prozess ist in diesem Jahr mit einem Urteil gegen Kenneth E. geendet, der schuldig gesprochen wurde, am Tatabend 2x aus kürzester Entfernung in die Brust des die Stadt besuchenden Geflüchteten abgefeuert zu haben. Dabei war seit Tagen auf Crystal unterwegs, trotz vieler Anzeichen für eine rechte Gesinnung (u.a. Hitlerbildchen in seiner Zelle) konnte vom Gericht kein rassistisches Motiv erkannt werden. Dabei wies es in seiner Urteilsverkündung darauf hin, dass ihm die rassistische Sprache und Naziszenekleidung vieler Torgauer Zeug*innen durchaus aufgefallen waren. Für Beobachter*innen wurde außerdem klar, dass in der Tatnacht neben dem Täter und seinem Freund, dem lokalen Crystal-Dealer Anton G., auch noch weitere mit Messern, Schlagstöcken und Schreckschusswaffen bewaffnete Torgauer auf der Suche nach den Geflüchteten waren. Über eine etwaige Verbindung oder Informationsaustausch der Suchbemühungen konnte nichts herausgefunden werden – das hätte bei den verhaltenen Ermittlungsversuchen der lokalen Polizei auch verwundert. Diese behandelte klassisch das Opfer als Täter und ließ die zweite bewaffnete Nazigruppe wegen guter Kooperation ohne Schmauchspuranalyse und Folgehausdurchsuchungen von dannen ziehen. Sie hatten bereits zugegeben „in die Luft“ geschossen zu haben, als „Ausländer“ auf sie zuliefen und zudem direkt ihre Schreckschusswaffe abgegeben. Ihre Aussagen machten sie in rechter Szenekleidung und recht furchtlos mit unverhohlener Sprache.
In der Stadt kursiert auch nach einer weiteren Reportage weiterhin die Version von dem Geflüchteten als Täter. Das ist eine bewusste Entscheidung für eine Realität, die aber auch in den Lokalmedien kaum in Frage gestellt wird. Die Torgauer Zeitung berichtete kaum von Tat und Prozess und auch in den Facebookgruppen der Stadt werden Themen wie weitere rassistische Attacken (wieder ein Täter auf Crystal) einfach als Hetze abgewatscht.
Von Torgau werden wir also noch mehr hören, wenn sich Leute finden, die aus dem Innenleben der nach Außen recht abgeriegelten Stadt erzählen wollen. Unterstützt also die letzten Leute vor Ort und skandalisiert mit uns den rassistischen Konsens , der unsichtbar, aber zäh wie Kaugummi zwischen Kopfsteinpflaster, historischen Mauern und Schloss Hartenfels wabert. Auf das auch Menschen, die in Torgau als fremd gelten, sich irgendwann sicher durch die malerischen Straßen bewegen können.
Diskutieren, Mitabstimmen im Facebook-Event zum Kaltort-Ranking 2018
Blog: Alle veröffentlichten Beiträge des Kaltort-Rankings 2018

Lesetipps zu Torgau

FAZ: Lange Reportage zu den Verhältnissen in Torgau (am Computer ohne Paywall)
Twitter: Kommentare zur Prozessbeobachtung von Irgendwo in Deutschland

Köthen, Kaltort-Ranking 2018

Köthen – Welthauptstadt der Homöopathie

Einwohner*innenzahl: 26.157
Nominiert weil: Die meisten kannten die Kleinstadt Köthen bis zum September diesen Jahres vermutlich nicht. Köthen ist eine durchschnittliche ostdeutsche Kleinstadt in Sachsen-Anhalt, irgendwo zwischen Halle und Magdeburg. Der Begründer der Homöopathie lebte lange hier, womit Köthen den Titel „Welthauptstadt der Homöopathie“ erlangt hat. Doch in Köthen gilt der Anspruch auf Gesundheit nicht für alle Menschen.
Am 09.09.2018 hat sich in Reaktion auf den Tod eines jungen Mannes ein völkischer Mob zu einem sog. „Trauermarsch“ zusammengefunden, bei dem insgesamt 2500 organisierte Nazis und Rassist*innen aus Köthen und Umland durch die Stadt gezogen sind. Treffpunkt war, passenderweise, der Friedenspark in der Stadt. Die Demonstration war ein Happening für die ganze Familie und Sammelbecken unterschiedlicher völkischer Akteure wie Pegida, dem Magazin „Compact“, „Zukunft Heimat“ wie auch der AfD. Einer der Organisator*innen war David Köckert, bekannter Nazi der Thüringer Szene und Mitbegründer von „Thügida“. In seiner Rede verwendete er eine offene völkische und NS verharmlosende Rethorik – die Köthener Polizei stand daneben und hörte zu.
Es waren auch etwa 150 Antifaschist*innen vor Ort, die nur durch einen Polizeikessel vor einem Angriff geschützt wurden. Die Unterkunft für Geflüchtete in der Stadt wurde an besagtem Abend von der Polizei geräumt – aus Sicherheitsgründen.
Diese völkische Ideologie ist nicht neu in Köthen, die Stadt gilt seit Jahren als Nazihochburg. Die AfD hat bei der letzten Bundestagswahl insgesamt 22% der Stimmen bekommen. In den letzten Jahren gab es mehrere rassistische Angriffe, u.a. wurde im September 2016 die Tür einer Unterkunft für Geflüchtete in Brand gesetzt. Im Oktober 2016 wurde der alte jüdische Friedhof der Stadt geschändet.
Doch die Idee von Frieden wird in Köthen groß geschrieben. In Reaktion auf die Nazis und eine linke Gegendemo organisierten einige Bürger*innen der Stadt eine Malaktion mit Kreide auf dem Marktplatz, um das Ansehen der Stadt wieder aufzupolieren. Die Message ist klar: „Wir brauchen beide nicht in unserer Stadt“ – Nazis UND die Antifa. Wie immer ist nicht der völkische Mob das Problem. So lautete die Quintessenz einer der Mitorganisator*innen der Aktion „Friedliches Köthen“: „Es haben sich in den letzten Tagen alle ausgetobt und jetzt ist gut. Die schweigende Mehrheit in dieser Stadt wünscht sich Frieden. Wenn der Spuk vorbei ist, wollen wir in Frieden weiterleben und uns in die Augen sehen können“. Dementsprechend hat der Oberbürgermeister Bernd Hauschildt den Anwohner*innen der Stadt geraten, am Abend einer Demonstration besser zuhause zu bleiben und die Rollläden der Fenster runter zu lassen – um ein Zeichen zu setzen, „dass man die nicht sehen will“.
Fazit:
In Köthen zeigt sich mal wieder das Zusammenspiel von organisierten Nazistrukturen, ganz normalen Rassist*innen, Politik und Polizei. Als Reaktion auf den rassistischen Mob wird das Image der Stadt mit bunter Kreide wieder hergestellt und die Vorhänge zugezogen. Damit verdient Köthen die Auszeichnung als #Kaltort 2018 und viele weitere antifaschistische Aktionen zur Störung des Volksfriedens.
Diskutieren, Mitabstimmen im Facebook-Event zum Kaltort-Ranking 2018
Blog: Alle veröffentlichten Beiträge des Kaltort-Rankings 2018

Cottbus, Kaltort-Ranking 2018

Cottbus – „modern und liebenswert“

Einwohner*innenzahl: 101.036
Nominiert weil:
In der Niederlausitz, im Süden des Bundeslandes Brandenburg, liegt Cottbus. Die kreisfreie, mal Großstadt mal nicht, fällt in letzter Zeit vermehrt durch rassistische und extrem rechte Vorfälle auf. Doch haben solche durchaus Tradition in dem selbsternannten „Fleckchen Erde zum Wohlfühlen“, wie es auf der Homepage der Stadt heißt. Zur Fußball-WM 2006 (Motto: Die Welt zu Gast bei Freunden) gab es ‚Reisewarnungen‘ für bestimmte Regionen (Ost-)Deutschlands. Verschiedene Initiativen und Personen machten öffentlich darauf aufmerksam, dass die Wahrscheinlichkeit Opfer rassistischer Übergriffe zu werden in diesen besonders hoch ist. Cottbus gehörte damals bereits selbstverständlich dazu. Doch nicht nur Alltagsrassismus fühlt sich in Cottbus wohl. Die Stadt und das Umland bietet seit Jahren Nazis Lifestyle und Auskommen. Um den Fussballverein FC Energie aus der 3.Liga sammelt sich eine stramm rechte Fußballfanszene, die durch gewalttätige Hools und rassistische Vorkommnisse auffällt. Da wird dann schon mal der Aufstieg in Ku-Klux-Klan-Stil auf dem zentralen Marktplatz gefeiert. Desweiteren bietet die vor Ort gegründete Kleidungsmarke Label 23 – Boxing Connection dem modebewussten Streetfighter die geeignete Klamotte. Das Geld dafür kann er sich in einigen der 52 privaten Sicherheitsfirmen verdienen, die vom rechten Rocker, über Hool auch Nazis gern beschäftigten.
Anfang 2018 gesellte sich dann ein weiterer Akteur zum rassistischen Stelldichein in Cottbus – der Verein „Zukunft Heimat“. Seit 2015 mobilisiert und hetzt er als „asylfeindlicher Protest“ bereits in ganz Brandenburg. Auschlaggebend für den regen Zulauf im Winter 2018, waren zwei Fälle von Auseinandersetzungen im Januar zwischen Deutschen und geflüchteten Syrern, wobei beide Male Messer von den Syrern eingesetzt wurden, Verletzte gab es in einem Fall. Zukunft Heimat griff diese Vorfälle wohlwollend auf und führte nun verstärkt Kundgebungen und Demos durch mit bis zu 5.000 Teilnehmer*innen. Seit an Seit marschierten maximalbesorgte Bürger*innen, AfD-Politiker*innen mit Nazis und rechten Hools. Christoph Bernd, Zukunft-Heimat Chef begrüßt es sogar, wenn bekannte Rechtsextreme an seinen Demos und Kundgebungen teilnehmen, so lange sie dort friedlich bleiben würden. Dass es im Nachgang und im Umfeld seiner Veranstaltungen verstärkt zu gewalttätigen Übergriffen kam, interessiert oder stört ihn offensichtlich nicht. Hierunter fällt der Angriff auf den Bus der mehrheitlich migrantischen Frauen*-Initiative „Women in Exile“, der nach ihrer Demonstration gegen Rassismus und Ungleichheit in Cottbus zerstört wurde. Auch die Stadt reagierte auf die Vorfälle. Sie sprach eine ‚negative Wohnsitzauflage‘ quasi eine Stadtverweis für einen der beteiligten Syrer und seinen Vater aus, welche nach ca. 8 Wochen aufgehoben wurde. Um die Sicherheit oder zumindest das Sicherheitsgefühl in der Stadt zu erhöhen, laufen bis heute Polizei und Ordnungsamt gemeinsam vermehrt Streife und kontrollieren dabei vor allem dem Anschein nach Nichtdeutschaussehende. Der Cottbusser Oberbürgermeister (CDU) nutze die Chance, um sich im Landtag rassistisch zu äußern, einen generellen Aufnahmestopp für Geflüchtete in Cottbus zu fordern und die Migrationspolitik seiner damaligen Parteivorsitzenden Merkel zu kritisieren. Opferberatung und Bürgerbündnisse kritisieren die einseitige Wahrnehmung und Strafverfolgung in diesen Fällen. Im Herbst 2017 kam es zu einem Unfall, bei der eine ägyptische Studentin verstarb. Zeugen sagten damals aus, dass der Wagen nicht nur viel zu schnell unterwegs war, sondern der junge Fahrer die schwer verletzte Studentin dazu noch rassistisch beleidigte am Unfallort. Die Ermittlungen dahingehend wurden fallen gelassen. Laut der Opferberatung finden zwischen 5 und 10 rechtsextreme Übergriffe pro Woche statt, die in den seltensten Fällen juristische Folgen für die Täter*innen haben. Der Angriff von Rechtsextremen gegen Geflüchtete in der Silvesternacht zu 2018, die unter Mithilfe des Sicherheitsdienstes in die Unterkunft ihrer Opfer gelangen konnten, nach dem sie diese auf der Straße verfolgt und verprügelt hatten – blieb ohne große mediale Beachtung, obwohl die Täter ermittelt wurden. Nach einer Massenschlägerei kurz vor dem Stadtfest im Sommer macht der Bürgermeister nochmals Stimmung gegen Geflüchtete und stellt in Frage, ob die Sicherheit auf dem Stadtfest für Cottbusser*innen ausreichend gegeben sei. Es werden gegen 40 Personen richterliche Anordnungen ausgesprochen, sich von dem Stadtfest fernzuhalten – zwei davon sind Deutsche. Das Stadtfest wird dann von dem privaten Sicherheitsdienst eines bekannten Rockers und der Polizei bewacht.
Cottbus ist ein #Kaltort2018 weil sich hier zeigt, wie Strukturen von organisierten gewalttätigen Neonazis über lange Zeit nicht nur unwidersprochen bestehen sondern vollkommen im öffentlichen und ökonomischen Leben integriert sind. Gemeinsam mit den rassistischen Aussagen und Entscheidungen führender Politiker*innen und der Zustimmung vieler Bürger*innen bietet es die beste Grundlage für eine Klima der Angst, dass jene zu spüren bekommen, die Ziel dieses Hasses sind oder dem rassistischen Konsens widersprechen.
Diskutieren, Mitabstimmen im Facebook-Event zum Kaltort-Ranking 2018
Blog: Alle veröffentlichten Beiträge des Kaltort-Rankings 2018

Eisenach, Kaltort-Ranking 2018

Luther, Burschenschaftler und Nazis – Wilkommen in Eisenach

Einwohner*innenzahl: 42.700
Nominiert weil:
Eisenach, eine kleine Stadt irgendwo in Deutschland. Genauer: irgendwo im grünen Herzen Deutschland, wie sich Thüringen selbst nennt. Beschaulich am Rande eines grünen Waldes. Eine Stadt die sich gerne mit ihrer Landschaft und Kultur schmückt. Hier hat einst Martin Luther auf der Wartburg das neue Testament übersetzt. Die Person, die auf der Wartburg den Teufel an der Wand gesehen haben soll. Eine kritische Auseinandersetzung mit Martin Luther findet in Eisenach kaum statt, nicht mit seinem Antisemitismus, nicht mit seinem Frauenhass. Auch Burschenschaften haben hier ein Teil ihrer Entstehungsgeschichte. Vielleicht ist es halt auch kein Wunder das Nazis sich hier so heimisch fühlen, Eisenach ist so deutsch. Eine Stadt von Deutschen für Deutsche.
Dabei wäre diese Stadt doch so gerne weltoffen, was sie auch gerne propagiert. Das Stadtbild wird jedoch geprägt durch Graffitis und Sticker mit eindeutig nationalsozialistischen Botschaften. Ein Entrinnen ist nicht möglich, überall ist zu lesen, „Nazi Kiez, NS Zone, White Revolution, I Love NS, Nationaler Aufbau“ usw. Die gut vernetzte Naziszene tritt mit einem hohen Gewaltpotenzial, selbstbewusst und in Gruppenstärke auf. Ihre Taktik ist, alles was nicht in ihr Weltbild passt (Antifaschist*innen, Migrant*innen, Geflüchtete und Antirassist*innen) einzuschüchtern, zu bedrohen, handlungsunfähig zu machen und sie zurückzudrängen. Im Stil der Autonomen Nationalisten und mit jugendkulturellem Verve versuchen sie hip rüber zu kommen.
Mit dem „Flieder Volkshaus“ hat die NPD seit 2014 auch ihre eigene Immobilie, und bietet damit einen Treffpunkt zum vernetzen und hetzen. Auch finden regelmäßig Konzerte von bekannten Rechtsrockbands statt, z.B. gastierten hier schon „Kategorie C“, „Die Lunikoff Verschwörung“, und „Flak“. Oder sie laden Shoah-Leugner wie Ursula Haverbeck ein. Von Reichsbürger*innen über Identitäre Bewegung, bis hin zu „Besorgten Bürger*innen“ ist in Eisenach alles, was rechtsoffene Tendenzen aufweist, vertreten. Leider lässt sich auch die bürgerliche Mitte davon blenden und surft auf der braunen Welle mit. Warum sonst findet Patrick Wieschke mit seinen regelmäßigen „überparteilichen“, polarisierenden Demonstrationen so viel Anklang in der Stadt. Hier verbreitet der Patrick sein menschenverachtendes Weltbild und seine rassistische Hetze. Ein Blick in die Lebensgeschichte, dieses Patricks zeigt, alles wovor er Angst schürt ist eigentlich er selber. In der Nacht zum 10. August 2000 war Patrick Wieschke an einem Sprengstoffanschlag an der Eingangstür eines türkischen Imbisses in Eisenach als Anstifter beteiligt. In seinem Lebenslauf sind mehrere Straftaten wegen Körperverletzung und Volksverhetzung zu finden. Aber auch der Vorwurf der Vergewaltigung und Kindesmissbrauch findet sich bei Patrick. Ja, Patrick ist ein ehrenvoller Deutscher. Trotzdem hat er mit dieser Masche Erfolg. Dies lässt sich gut in den angeblich unpolitischen Facebookgruppen „Sicherheit für Eisenach“ und „Interessantes in Eisenach“ beobachten. Hier scheint seine rassistische Hetze willkommen zu sein und findet regen Anklang. Der gescheiterte Oberbürgermeisterkandidat der AfD, Gregor Modos, hat mit dem braunen Sumpf in Eisenach kein Problem, wie auch anders zu erwarten. Er sieht die „Linksextremisten“ als Gefahr an. Angeblich wurden doch AfD Mitglieder*innen in Eisenach beschimpft. Konkrete Beispiele dazu konnte er nicht nennen. So wundert es auch nicht, das die Spuren des NSU auch bis Eisenach reichen. Hier ist der Ort wo die Uwes ihre letzte Bank überfielen und sich anschließend im Wohnmobil erschossen haben. Wer die Kontaktmänner in Eisenach waren, viele können es sich denken. Auch hier wurde gegen den Patrick ermittelt, nachzuweisen ist ihm angeblich nix.
Antifaschist*innen werden hier regelmäßig zum Angriffsziel von Nazischlägern. So wurde erst im Dezember ein Jugendlicher aufgrund antifaschistischer Buttons bedroht. Im Oktober 2018 wurde auf dem Bürgersteig vor dem Jugendbüro RosaLuxx eine Opfersilhouette aufgemalt, wie man sie aus Krimiserien kennt. Der Umriss wurde mit „A.L.ESA (Antifaschistische Linke Eisenach)“ betitelt und trägt einen großen Farbfleck im Bauchraum. Diese Metapher stellt ohne Zweifel eine gefährliche Morddrohung dar. Wenn es nach den Neonazis geht, soll Blut fließen. Der Platz der alten Synagoge wird regelmäßig von Nazis mit Hakenkreuzen beschmiert. Zwischen 2015-2018 wurden in Eisenach offiziell 195 rechte Straftaten festgestellt, hinzukommen 104 Straftaten im umgebenden Wartburgkreis. Zu diesen Straftaten kommen noch zahlreiche Demonstrationen und Veranstaltungen. In diesen Straftaten sind 7 Körperverletzung und 10 besonders starke Körperverletzungen vertreten., sowie Sachbeschädigung und Volksverhetzung. Die Dunkelziffer wird durchaus höher liegen, viele Opfer schrecken aus Angst vor Repressionen, vor Anzeigen zurück. Erst am 12. Dezember 2018 fand eine länderübergreifenden Razzia wegen Fortführung des verbotenen „Blood & Honour“-Neonazi Netzwerkes statt, bei dem Polizisten ebenfalls in Eisenach Durchsuchungsmaßnahmen durchführten.
Wie auch nicht anders zu erwarten, wird von offizieller Stelle natürlich kein Nazi-Problem gesehen und immer wieder relativiert. Stattdessen bräuchte es dringend Räume für antifaschistische und antirassistische Projekte. Es werden dringend Strukturen benötigt, die Jugendliche vor Ort schützen, vor den marodierenden braunen Massen.
Diskutieren, Mitabstimmen im Facebook-Event zum Kaltort-Ranking 2018
Blog: Alle veröffentlichten Beiträge des Kaltort-Rankings 2018
 

Lesetipps zu Eisenach

Thüringen rechtsaussen: Sexueller Missbrauch eines Kindes – NPD-Spitzenkandidat Patrick Wieschke in Erklärungsnot (Polizeiakte geleakt)
Spiegel: NPD-Spitzenkandidat Wischke stand 2001 unter Mißbrauchsverdacht
Spiegel: Anschlag auf Dönerimbiss
Zeit Störungsmelder: Neonazis ringen in Eisenach um die Hegemonie
Thüringen24: Jugendliche von mutmasslichen Neonazis in eisenach verfolgt und geschlagen
Zeit Störungsmelder: Brutaler Nazi-Überfall auf engagierten Musiker in Eisenach

Kaltort Ranking 2018

Wählt mit uns den elendsten Mistort des Landes + Ziel: Aufmerksamkeit für die anhaltende Gefahr der völkischen Mobilisierungen + Helft uns: Bringen wir Wut & Kritik zurück in die Orte der rassistischen Attacken + Mitmachen, teilen, prämieren & abstrafen!
2018 ist fast vorbei und wir wollen euch zum dritten Mal zu unserem besonderen Jahresrückblick einladen – das #Kaltort-Ranking 2018. Wir wollen damit auf einige der rassistischen Hotspots in #Kaltland und deren Bevölkerungen aufmerksam machen. Also macht mit, teilt die Beiträge und wählt den #Kaltort2018!
Im Sommer 2018 Monaten haben Orte wie Chemnitz und Köthen große Schlagzeilen gemacht. Beide Orte waren aber nur zwei krasse Beispiele aus einer Vielzahl von Angriffen und völkischen Mobilisierungen und deren gewaltvollen Konsequenzen. Die Chronik „Mut gegen rechte Gewalt“ dokumentiert bisher 743 Angriffe auf Geflüchtete und Unterkünfte, die Dunkelziffer liegt deutlich höher. Diese Zahlen machen klar – es gibt weiterhin keinen Grund zur Beruhigung.1 Sie verdeutlichen den rassistischen Normalzustand in Deutschland und die anhaltende Bedrohung für alle, die nicht in ein völkisches Weltbild passen.
KALTLAND ENTLARVEN
Wir wollen das Jahresende wieder nutzen, euch einen Teil des Ausmaßes von Kaltland im Jahr 2018 an konkreten, mehr oder weniger bekannten Orten, vorzuführen. Die Auswahl hat keinen Anspruch auf Vollständigkeit – sie versucht aber, unterschiedliche Regionen in den Blick zu nehmen und den breiten rassistischen Konsens, auch in den scheinbar netteren Orte, aufzudecken und anzugreifen.
Als Bündnis „Irgendwo in Deutschland“ organisieren wir immer wieder Demonstrationen, mit denen wir genau an diesen Orten auf die unerträglichen Zustände hinweisen und sichtbar machen, dass es Leute gibt, die mit den Angriffen nicht einverstanden sind. Diese unversöhnlichen Interventionen sind für uns eine wichtige und notwendige Aktionsform, vor allem mit Blick auf die oft fehlenden linksradikalen Interventionen. Gegen Kaltland, seine völkischen Mobilisierungen braucht es mehr Druck, mehr Stress und mehr Entschlossenheit.
HELFT MIT: Schafft Aufmerksamkeit für deutsche Zustände!
So läuft es ab: Ab dem 23.12. veröffentlichen wir bei Facebook und auf dem Irgendwo in Deutschland-Blog täglich einen Text und stellen einen dieser Kaltorte mit ihren spezifischen völkischen Gemengelagen vor. Im Anschluss seid ihr gefragt – ihr dürft abstimmen, welcher dieser Orte die Auszeichnung als Kaltort 2018 verdient hat. Die Gewinner*innen-Stadt bekommt auch in diesem Jahr einen Preis von uns – die Stadt Bautzen hat in den letzten Jahren aus guten Gründen das Ranking gewonnen und das Video zur Preisübergabe 2016 hat das Social Media Team der Stadt länger beschäftigt, um das geschädigte Image wieder zu korrigieren. Auch Anfang 2019 kann ein deutscher Kaltort sich auf ein solches ‚Anti-Tourista-Video‘ freuen.
Wir setzen bei diesem Unterfangen auf eure Unterstützung: Ob in SocialMedia-Währung von Likes, Shares und Retweets.
Allerdings bitten wir euch diesesmal auch selber in die Debatte zu gehen: Lasst uns die Wut & Kritik über rassistische Zustände in die Orte zurückbringen, potentielle Besucher*innen warnen und über das Netz Handlungsdruck erzeugen. Fügt also rassistische Angriffe in Wikipedia-Artikel der Orte hinzu, klärt Tourist*innen über die Social Media-Seiten der Ortschaften und ihrer Sehenswürdigkeiten auf. Wir zählen auf euch, Rassist*innen angreifen bleibt letztendlich (digitale) Handarbeit.
Wir danken allen beteiligten Gruppen und Einzelpersonen, die uns wieder mit Texten aus allen Teilen des Landes unterstützen. Ein weiteres Herzchen an all diejenigen, die die Werbetrommel für diese Aktion rühren und vor allem natürlich an alle Kommentarspalten- oder Straßenkämpfer*innen.
Lasst uns den Preis für das Ausleben des Rassismus erheblich erhöhen. Make Racists Afraid Again.
Lest, teilt, wählt auf Facebook im Kaltort-Ranking 2018. Die Beiträge gibt es jeden Abend auch hier im Blog: Alle Beiträge des Kaltort-Rankings 2018.
Falls ihr schonmal gucken wollt: Ein Rückblick auf die letzten Jahre Kaltland-Ranking mit allen Texten:
2017: Facebook-Event, im Kaltort-Ranking  2017 im Blog
2016: Facebook-Event

Leipzig: Wer schweigt, stimmt zu – Den rassistischen Konsens durchbrechen!

Die Gruppe „Rassismus tötet!“ – Leipzig veranstaltet am 4. November eine Demonstration in Leipzig.  Der Aufruf:
In Zeiten, in denen rassistische Mobilisierungen und Gewalttaten von führenden Bundespolitiker*innen kleingeredet und vom Verfassungsschutz gänzlich negiert werden, sind die Parallelen zu den rassistischen Pogromen Anfang der 1990er Jahre kaum zu übersehen. Eine antirassistische und antifaschistische Linke konnte bei den Ereignissen der letzten Wochen wie in Chemnitz oder Köthen nur reagieren und in diesen Orten lediglich versuchen, den Neonazis nicht gänzlich die Deutungshoheit und eine öffentlichkeitswirksame Bühne zur Verbreitung ihrer menschenverachtenden Ideologie zu überlassen. Das stetige Reagieren ist vielerorts im Osten der Bundesrepublik zum Dauerzustand geworden und macht es schwerer, eigene Inhalte zu setzen. Gerade in Sachsen brennt es regelmäßig in zahlreichen Städten und Dörfern. Das Setzen eigener Inhalte, wie beispielsweise eine Analyse der Gesellschaft, welche als Fundament für die Ideologie des Rassismus fungiert, sowie das Aufzeigen rassistischer Kontinuitäten darf trotz alledem kein Nischenprojekt jener radikalen Linken sein, die sich eine bessere Gesellschaft herbeisehnt. Auch das Erinnern und Gedenken an rechte Morde und Pogrome ist ein wichtiger Bestandteil antifaschistischer Politik, um einerseits rassistische Kontinuitäten innerhalb der Gesellschaft aufzuzeigen und andererseits sich mit den Opfern rechter Gewalt zu solidarisieren. Mit unserer diesjährigen Gedenkdemonstration wollen wir dies tun und ein solidarisches Zeichen mit allen Betroffenen von Neonazigewalt in Leipzig und überall im Hier und Jetzt zeigen. „Leipzig: Wer schweigt, stimmt zu – Den rassistischen Konsens durchbrechen!“ weiterlesen

25 Jahre Asylrechtsverschärfung: Veranstaltungen

Leipzig

Mittwoch, 07.11.2018, 19 Uhr, Frauenkultur

vortrag: repression mit System – der staatliche umgang mit geflüchteten in sachsen

Von Sächsischer Flüchtlingsrat
In den letzten Monaten wurde viel über das Thema “Ankerzentren” diskutiert. Wir haben den Sächsichen Flüchtlingsrat eingeladen, um gemeinsam mit euch über die aktuelle Umsetzung dieser Zentren, zur Isolation und Ausgrenzung von Geflüchteten, in der sächsischen Realtität zu sprechen. Gemeinsam wollen wir einen Einblick über die sächsische Abschiebepraxis erlangen und darüber sprechen, wie Unterstützungsmöglichkeiten für Geflüchtete aussehen können.

Dienstag, 13.11.2018, 19 Uhr, linxxnet

Lesung: aus dem „Wörterbuch des besorgten bürgers“

Mit Nancy Grochol und Robert Feustel
Das Wörterbuch des besorgten Bürgers kartografiert und kritisiert – unvollständig und selbst wertend – in 150 Einträgen den sprachlichen Zauber, der weite Teile der politischen Öffentlichkeit erfasst hat und
der beharrlich mit stilisierten Ängsten spielt. Unterstützt von O-Tönen sowie Bild- und Tonmaterial werden Abgründe aus- und verquere Dreher beleuchtet.


Hamburg

Mittwoch, 28.11.2018, 18:00 Uhr, Rote Flora

Vortrag: Das europäische Grenzregime: Zwischen dem Sommer der Migration und dem Winter der Abschottung

Mit Maximilian Pichl
Infolge des Sommers der Migration 2015 erfolgte ein umfassender Angriff auf das (europäische) Asylrecht. Durch zahlreiche Asylrechtsverschärfungen wurden die sozialen Lebensverhältnisse von Geflüchteten verschlechtert, Abschiebungen optimiert und weitere Staaten als scheinbar „sicher“ eingestuft. Ein kennzeichnendes Merkmal der neuen Asylrechtsverschärfungen besteht darin das individuelle Recht auf Asyl im Prinzip aufrechtzuerhalten, um gleichzeitig den Zugang zu rechtsstaatlichen Verfahren für Geflüchtete einzuschränken oder vollständig zu verwehren.

25 Jahre Asylrechtsverschärfung: Sieben Thesen

Faktisch abgeschafft - 7 Thesen zur Asylrechtsverschärfung
Die Thesen als gestaltetes PDF
25 Jahre Asylrechtsverschärfung: Veranstaltungen
Bereits in den 1990er Jahren sprach die antirassistische Linke zurecht von der „faktischen Abschaffung des Rechts auf Asyl“. Damals hatte der Bundestag als Reaktion auf rassistische Morde und Brandanschläge wie die in Rostock-Lichtenhagen, Mölln und Hoyerswerda den sogenannten „Asylkompromiss“ beschlossen. Dieser bedeutete eine staatlich-strukturelle Fortsetzung der rassistischen Gewalt auf der Straße. Seit einigen Jahren zeigt sich allerdings, dass damit das Ende der Fahnenstange noch lange nicht erreicht war. In einer immer schnelleren Taktung werden auf zynische Weise die Rechte und Möglichkeiten für Geflüchtete und Asylbewerber*innen Schritt für Schritt weiter eingeschränkt. Wir haben sieben Thesen zu dieser Entwicklung aufgeschrieben. Dabei zeigt sich die Asylrechtsverschärfung nur als ein Aspekt aus dem Geflecht von Flucht, Migration, staatlichem Handeln und Rassismus.

1. Fluchtursachen

Die EU will „Fluchtursachen bekämpfen“, doch eigentlich trägt sie zu genau jenen Fluchtursachen bei. Die über Jahrhunderte währende koloniale Ausbeutung setzt sich in unterschiedlichen Ausprägungen bis heute fort: In Form der nachhaltigen Zerstörung afrikanischer Landwirtschaft durch EU-Subventionen, in Form des Schutzes autokratischer Regime aus politischen Interessen oder ganz direkt in Form der Kürzung und partiellen Aussetzung der Nahrungsmittelrationen seit 2013 (weil sich EU und „Weltgemeinschaft“ nicht durchringen konnten, das World Food Programme zur Versorgung von Menschen in Not ausreichend zu finanzieren), die für die Fluchtbewegung von Syrer*innen aus den großen Lagern in Jordanien und im Libanon mitverantwortlich sind. Zugleich wird „Entwicklungshilfe“ weiter privatisiert und neoliberalisiert über die Förderung von Investitionen und Anlagemöglichkeiten für europäische Unternehmen, Banken und Rentenfonds. Klar ist: Deutschland und die EU schaffen die Fluchtursachen in vielfältiger Weise mit.

2. Externalisierung des Grenzregimes

Seit 2016 soll das „Better Migration Management“ Europa die Flüchtenden vom Leibe halten – und die Bundesregierung ist der zentrale Akteur. Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung treibt dabei die Kooperationen mit den Regierungen von Äthiopien, Djibouti, Eritrea, Kenia, Somalia, Südsudan, Sudan und Uganda voran. ‚Entwicklungshilfe‘ – schon immer neokoloniales Instrument – wird nun an die Kooperation in der Abwehr von Geflüchteten geknüpft. Ob die Partner Kriegsverbrecher sind wie der sudanesische Präsident Umar al-Baschid oder Diktatoren wie der seit 25 Jahren regierende eritreische Präsident Isayas Afewerki spielt für die EU keine Rolle. Die Maßnahmen sind vielfältig: Ein UN-Bericht hat kürzlich festgestellt, dass in Libyen Menschen in Lagern zusammengepfercht und gefoltert werden. Ähnliche Lager in ganz Nordafrika einzurichten ist das erklärte Ziel der EU. Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) hat jüngst vorgeschlagen, in Marokko Heime für jugendliche Obdachlose zu finanzieren, in die auch unbegleitete minderjährige Geflüchtete aus Deutschland abgeschoben werden können. Die Regierung von Algerien hat in den letzten Monaten 13.000 Menschen ohne Wasser oder Nahrung in die Sahara gekarrt und sich damit für EU-Hilfen beworben. Seit März 2016 existiert das sogenannte ‘Flüchtlingsabkommen’ mit der Türkei — mit dem Ziel, die Route der Geflüchteten von der Türkei nach Griechenland zu schließen. Geflüchtete werden aufgehalten, nach Europa weiterzureisen. Für diese ‘Dienstleistung’ erhält das türkische Regime u.a. mehrere Milliarden Euro; dafür nimmt Deutschland auch Erdogans Angriffskrieg gegen kurdische Gebiete wie z.B. Afrin und weitere Tote und Vertriebene in Kauf. Das Vorgehen ist kleinteilig, die EU nimmt sich sogar in kolonialer Manier heraus, afrikanische Staaten unter Druck zu setzen, um die Visumsfreiheit, die in den Ländern der Westafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft (ECOWAS) gilt, auszusetzen oder biometrische Pässe einzuführen. Folter, moderne Sklaverei, systematische Vergewaltigungen und Mord der Betroffenen als Folgen dieser Politik nimmt die EU sehenden Auges in Kauf.

3. Schiffe versenken

Auch das Mittelmeer wird als effektive und tödliche Grenze immer weiter hochgerüstet. Die GroKo hat sich darauf verständigt, Frontex weiter auszubauen, militärische Grenzsicherung ist längst Standard. Gleichzeitig fordern die Innenminister Italiens, Deutschlands und Frankreichs einen Verhaltenskodex für NGOs wie Seawatch, unter anderem mit einem „absoluten Verbot für NGOs, in libysche Gewässer einzufahren“. Seenotrettung wird kriminalisiert, der Kapitän der Lifeline wird verklagt, weil er Menschen vor dem Ertrinken bewahrt hat — darüber, ob man Geflüchtete auf dem Mittelmeer lieber sterben lassen sollte, wird mittlerweile schon in vermeintlich linksliberalen Medien wie der „Zeit“ diskutiert. In den letzten Monaten haben italienische, griechische, spanische und maltesische Häfen verschiedenen Booten verweigert, anzulegen. Allein während dieser Irrfahrten sind Dutzende Menschen gestorben. Frontex selbst drängt in Kooperation mit den nordafrikanischen Partnern systematisch Boote zurück, egal, ob diese dann untergehen oder von der libyschen Küstenwache beschossen werden. Diese Praxis hat die Bundesregierung gerade noch einmal bekräftigt, obwohl Push-Backs prinzipiell verboten sind: Die Aufgabe von Frontex ist es nunmal, Menschen davon abzuhalten, europäisches Festland zu erreichen.

4. Hotspots

Diejenigen, die es dennoch auf das europäische Festland schaffen, sollen dort nach den neuen Plänen der EU für ein gemeinsames europäisches Asylsystem (GEAS) sogleich „erstregistriert“ werden. Dabei wird geprüft, ob sie nicht vielleicht über einen sogenannten „sicheren Drittstaat“ gereist sind, etwa durch eines der Länder Nordafrikas (z.B. Algerien, s.o.). Falls ja, werden die Menschen direkt wieder dorthin zurückgebracht, ohne dass sie überhaupt Zugang zum Asylverfahren bekommen. Eine individuelle Prüfung, die ihnen laut dem deutschen Grundgesetz zusteht, kann damit nicht mehr stattfinden. Dies geschieht im Einvernehmen auch mit der deutschen Bundesregierung, die darin eine Lösung der gesamten Dublin-Problematik zu sehen scheint: Die Konzentration und das Einsperren von Menschen in Lagern an den Außengrenzen, von denen aus die Flüchtenden direkt wieder abgeschoben oder in Transitstaaten außerhalb Europas zurückgeschickt werden sollen. Auch für jene, die nicht zurückgeschickt werden können, halten die Lager Italiens und Griechenlands Zustände bereit, die nur als Menschenrechtsverletzung beschrieben werden können; und auch Menschen, die bereits Bleiberecht haben, bekommen kaum Unterstützung und sind massiver Repression ausgesetzt. Das deutsche Beharren auf einer ‚Umverteilung der Lasten‘ wird dabei insbesondere von den autoritären Regimen in Ungarn, Polen, Italien und Österreich blockiert, eine Politik, die die BRD selbst über Jahre hinweg erfolgreich betrieben hat.

5. “Ankerzentren”

Falls Flüchtende es bis auf deutsches Staatsgebiet schaffen, plant Innenminister Seehofer, sie nach bayerischem Vorbild während des gesamten Asylverfahrens in Großlagern unterzubringen. „Ankunfts-, Entscheidungs- und Rückführungszentren“ verschärfen die Kasernierung von Geflüchteten und machen eine Teilnahme am sozialen Leben einer Gesellschaft unmöglich, flankiert von Sachleistungsregelungen und Residenzpflicht. Das noch vor wenigen Jahren von der Bundesregierung als großer deutscher Verdienst zur Schau gestellte ehrenamtliche Engagement für Geflüchtete wird ebenso verunmöglicht wie effektive anwaltliche Beratung. Die Menschen sind dort unter Ausschluss der Öffentlichkeit der Willkür von Behörden und Personal ausgeliefert; die Bedingungen stigmatisieren sie – sie werden eingesperrt, als wäre ihre Flucht eine Straftat. Dass ein Großteil derer, deren Asylantrag abgelehnt wird, aktuell Revision einlegt und davon mehr als zwei Drittel Recht bekommen, zeigt aber, wie unzureichend die Entscheidungen beim BAMF sind. Wenn aber das gesamte Asylverfahren in Zentren stattfindet, in denen kaum Zugang zu Beratungsstrukturen oder Anwält_innen besteht, ist die Rechtsschutzgarantie des Grundgesetzes de facto ausgehebelt. Diejenigen, die es dennoch schaffen, sich gegen eine Abschiebung zu wehren, müssen Monate, gar Jahre in den Lagern ausharren, bis es zu einer gerichtlichen Entscheidung kommt. Diejenigen, die irgendwann abgeschoben werden, ebenfalls. Das verursacht enormen psycho-emotionalen Stress. Kinder werden in diesen Zentren nur in Minimalunterrichtsklassen gesteckt – was in Bayern schon jetzt gegen die Kinderrechtskonvention verstößt. Medizinische Versorgung, insbesondere für Traumata, ist nur minimal vorhanden, von Arbeits- oder Freizeitmöglichkeiten ganz abgesehen. Die ohnehin schon traumatisierten Menschen sind in diesen Kasernen ohne Intimsphäre auf engstem Raum zusammengepfercht. Eine „Weiterverteilung“ auf die Kommunen soll überhaupt nur noch bei angenommener „positiver Bleibeperspektive“ erfolgen.

6. Neusprech

Immer neue vermeintlich sachliche Begriffe sollen die rassistische und gewaltvolle Realität verschleiern. Massive Erpressungen und Einmischungen werden als „Partnerschaftsabkommen“ beschrieben, die Internierungslager in Nordafrika sollen wahlweise „abgeschlossene Dörfer“, „Anlandestellen“ oder „kontrollierte Zentren“ heißen, wobei bei der Wortwahl des letzten im Hinblick auf die mögliche Abkürzungsformel wohl eine unbewusste Fehlleistung unterstellt werden muss. Organisiert werden Abschottung und Mord durch das „Migrationsmanagement“ und auch die „Ankerzentren“ hören sich eher nach spießiger Gemütlichkeit an, als nach Lager.
Auf der anderen Seite werden bewusste rassistische Begriffsbildungen von Regierungspolitiker_innen übernommen: Während „Flüchtlingskrise“, „Armutsmigration“ und „Asylmissbrauch“ bereits etabliert sind, werden durch „Asyltourismus“, „Anti-Abschiebe-Industrie“, „Belehrungs-Demokratie“ und der „Wiederherstellung der Rechtsstaatlichkeit“ weitere rassistische und autoritäre Narrative übernommen und legitimiert.

7. Rassistische Formierung

Dem entspricht eine rassistische und autoritäre Formierung, die weite Teile der Gesellschaft mittragen und der weder Linke noch Liberale etwas wesentliches entgegensetzen. Mediale Hetzkampagnen, die sexistische Übergriffe, antisemitische Einstellungen oder Terrorakte zu einem Spezifikum von Geflüchteten erklären, legitimieren immer neue Gesetzesverschärfungen. Rechter Terror, zunehmender Alltagsrassismus und der ungebrochene rassistische Konsens hingegen werden gesellschaftlich ausgeblendet, wenn nicht gar verharmlost und entschuldigt, während Kritik an Regierungshandeln, Polizei oder Verfassungsschutz zunehmend delegitimiert wird. Diese Strategie kann nur als doppelte verstanden und kritisiert werden: Das Gerede von den Aufarbeitungs- und Willkommensweltmeistereien ist die notwendige Legitimationsgrundlage für das wieder formulierte und praktizierte Volksgemeinschaftsstreben. Beide vereint der Nationalismus und die Verweigerung der einzig menschlichen Forderung: Nie wieder Deutschland!

München: Redebeitrag Bündnis "Irgendwo in Deutschland"

Liebe Freund*innen der Aufklärung des NSU-Komplexes,
das Urteil im NSU-Prozess wurde gesprochen, der Komplex NSU jedoch ist unaufgelöst. Die versprochene lückenlose Aufklärung ist  ausgeblieben. Zahlreiche Fragen blieben unbeantwortet, zahllose sind dazugekommen.
Die Hoffnungen der Betroffenen des NSU-Terrors wurden mit Füßen getreten. Sie erfuhren nicht,  warum ihre Angehörigen ermordet und von wem die Täter*innen vor Ort unterstützt wurden. Sie erfuhren nicht, was es mit den Verstrickungen von Polizei oder Verfassungsschutz in den NSUKomplex auf sich hatte.
Sie erfuhren weder eine Anerkennung des institutionellen Rassismus, der sie nach den Taten wie eine „Bombe nach der Bombe“ traf, noch wurde sich für die falschen Verdächtigungen, die sie und ihr Umfeld zu Täter*innen machte, entschuldigt.
Stattdessen plädierte die Bundesanwaltschaft bis zuletzt für die längst widerlegte Theorie des isolierten Trios. Obwohl die Nebenklage und ihre Anwält*innen couragiert Aufklärung gefordert und aktiv zu dieser beigetragen haben, wurde  nicht von der Trio-These abgewichen. Die Suche  nach Antworten auf die offenen Fragen rund um die Planung und Durchführung der Taten, deren regionale Unterstützung und die Verstrickung staatlicher Organe wurden sabotiert.
Wir sind deshalb heute am Tag der  Urteilsverkündung in München, aber auch in  anderen Städten wie Berlin, Hamburg, Leipzig und Rostock auf die Straße gegangen, um  klarzustellen: es darf und wird keinen  Schlussstrich in der Auseinandersetzung mit dem  NSU-Komplex geben!
Wir fordern die lückenlose Aufklärung der  rassistischen Bombenanschläge in Nürnberg und  Köln, in der Gaststätte Sonnenschein, in der  Probsteigasse und auf die Keupstraße, genauso  wie die lückenlose Aufklärung der neun  rassistischen Morde an Enver Şimşek, Abdurrahim Özüdoğru, Süleyman Taşköprü, Habil Kılıç,  Mehmet Turgut, İsmail Yaşar, Theodoros  Boulgarides, Mehmet Kubaşık, Halit Yozgat sowie des Mordes an der Polizistin Michèle Kiesewetter.
Die Bedingungen, die die Mord- und Anschlagserie des NSU möglich gemacht haben,  bestehen fort: Sowohl militante Neonazistrukturen, die mit staatlicher Unterstützung rechnen können, als auch der  gesellschaftliche Rassismus, der sich durch den gesamten NSU-Komplex zieht.
Rassismus äußerte sich nach der sogenannten Wiedervereinigung in Pogromen und Anschlägen,führte zur faktischen Abschaffung des Asylrechts und trug zur Politisierung des NSU bei. Rassismus führte dazu, dass bei den Ermittlungen der rassistische Tathintergrund ignoriert wurde
und Sonderkommissionen mit so bezeichnenden Namen wie „Bosporus“ und „Halbmond“ ermittelten.Rassismus verortete die Täter*innen  in Fallanalysen als dem „deutschen Kulturkreis“  fernstehend und kriminalisierte die Opfer wie die Angehörigen.
Rassismus verleitete die Presse dazu, von  „düsteren Parallelwelten“ zu fabulieren und die Mordserie mit dem bekannten Unwort zu betiteln. Rassismus ließ auch uns als antifaschistische und  antirassistische Linke die Stimmen der Betroffenen überhören, als diese die Täter benannten und unter dem Motto „Kein 10.  Opfer!“ schon fünf Jahre vor der Selbstenttarnung  auf die Straße gingen.
Was wurde aus all dem gelernt? Welche Konsequenzen wurden gezogen? Der Verfassungsschutz, der nachweislich  Neonazistrukturen aufgebaut und vernetzt hatte, der Verfassungsschutz, dessen Mitarbeiter  Andreas Temme nachweislich bei der Ermordung  von Halit Yozgat am Tatort gewesen ist und der  erwiesenermaßen von einer Gruppe namens NSU wusste, der Verfassungsschutz, der nach der  Selbstenttarnung des NSU Akten vernichten ließ und sich gegen jegliche Aufklärung, sei es in den  parlamentarischen Untersuchungsausschüssen  oder im Prozess vor dem Oberlandesgericht,  stellte, dieser Verfassungsschutz steht heute gefestigter denn je, seine Befugnisse wurden  erweitert.
Auch der Rassismus in den Institutionen existiert  ungehindert fort, sei es durch rassistische Kontrollen in Zügen, an Bahnhöfen oder sonst wo  im öffentlichen Raum, oder aber durch den Ausschluss von Rassismus als Tatmotiv. Nach wie vor wird Rassismus häufig als Tatmotiv weder  benannt noch überhaupt in Erwägung gezogen. Das lässt sich am Amoklauf von David S. am  Münchener OEZ erkennen, am Mordversuch an  einem Geflüchteten in Torgau 2017 oder in Berlin- Lichtenberg, als ein Supermarktleiter einen  Menschen moldawischer Herkunft im September  2016 totprügelte. Dazu das Schweigen der Berliner  Polizei zu den Morden an Luke Holland  und Burak Bektaş.
Die Liste der Beispiele könnte noch um zahlreiche  weitere ergänzt werden. Selbiges muss für den gesellschaftlichen Rassismus konstatiert werden,  der die Grundlage für den eliminatorischen  Rassismus bildete und bildet. Der NSU war nicht  die erste Neonazi-Terrororganisation und auch  nicht die letzte. Das zeigen Prozesse gegen rechtsradikale Organisationen wie die „Oldschool  Society“ oder die „Gruppe Freital“, aber auch die immer häufiger werdenden Meldungen über  Waffenfunde in der Neonaziszene.
Die Zahl rassistischer Anschläge und Übergriffe ist in den letzten Jahren rasant angestiegen. Die Akteur*innen, die sich an Kundgebungen und Angriffen beteiligen, gehen weit über die Neonaziszene hinaus. Dazu kommen zahllose Personen, die offen oder insgeheim diese Taten gutheißen, und der Erfolg von Bewegungen und Parteien wie Pegida und AfD.Während Medien und  Politiker*innen bis in die Linkspartei hinein die Grenze des Sagbaren durch immer neue rassistische Ausfälle weiter verschieben und vermeintlich „linke“ Politiker*innen die Nation  als positiven Referenzrahmen für sich entdecken,  agieren die politischen Entscheidungsträger*innen ähnlich wie in den  1990ern:
Nationalistische Rhetorik, Abbau des Asylrechts, Verschärfung des repressiven Lagersystems, Abschiebungen. Diese Zustände schaffen damals  wie heute ein Klima, in dem sich Neonazis als  „Vollstrecker des Volkswillens“ zu Gewalt bis hin zu Morden legitimiert sehen. Diese Zustände waren es, in denen der NSU sich sozialisiert hat. Diesen Zuständen gilt es deshalb ebenso  unversöhnlich entgegenzutreten wie den Neonazis, die sie auf die Spitze treiben.
Rassistische Gewalt gegen Geflüchtete und  Migrant*innen darf nicht unbeantwortet bleiben, der Rassismus in Behörden und Gesellschaft nicht unkommentiert.
Wir fordern unmissverständlich: Kein  Schlussstrich – den NSU-Komplex aufklären und auflösen!
Wir fordern die Berücksichtigung der Perspektiven  der Angehörigen und Überlebenden  bei der Aufklärung und beim Gedenken an die  Opfer, die Umbenennung der Holländischen  Straße in Kassel in Halit-Straße sowie die  Einsetzung einer internationalen Untersuchungskommission.
Wir fordern die Auflösung der Verfassungsschutzbehörden und die Abschaffung des V-Personen-Systems!
Unsere Solidarität gilt den Opfern der rassistischen Mordserie, den Überlebenden der Anschläge und allen Menschen, die von rechtem Terror und Rassismus bedroht und betroffen sind.

Grußwort #hro1107 nach München

Liebe Angehörige, liebe Genossen*innen,
wir haben uns heute, am Tag des Prozessendes, 14 Jahre nach der Ermordung Mehmet Turguts auch
hier in Rostock versammelt, um zu zeigen, dass selbst das Prozessende für uns kein Ende des
Trauerns, der Wut und des Gedenkens bedeutet.
Wir werden weiterhin dafür kämpfen, dass die Taten des NSU lückenlos aufgeklärt werden. Dies
sind wir den Familien der Opfer und den Opfern selbst schuldig. Niemand kann das Geschehene
rückgängig machen oder den Schmerz lindern, doch wir können und werden dafür Sorge tragen,
dass die Hinterbliebenen mit diesem Leid nicht alleine stehen.
Die Schuld liegt nicht beim NSU allein. Nur durch das Wegsehen des Staates, den rassistischen
Ermittlungen der Polizei und dem aktiven Unterstützen und Vertuschen des Terrornetzwerkes durch
einige Behörden war es ihnen möglich, diese Gräueltaten zu begehen und damit davon zu kommen.
Diese Taten verdeutlichen, dass Rassismus damals wie heute ein gesamtgesellschaftliches Problem
ist und nicht totgeschwiegen werden darf. Nicht nur heute gehen wir dagegen auf die Straße. Auch
an jedem anderen Tag muss entschieden gegen diese tödliche Ideologie vorgegangen werden.
Heute sind unsere Gedanken bei den Familien ŞimŞek, Özüdoğru, Taşköprü, Kılıç, Turgut, Yaşar,
Boulgarides, Kubaşik und Yozgat. Unsere bedingungslose Solidarität soll ihnen zeigen, dass sie nicht alleine sind.
Unsere Grüße gehen raus an die Genossen*innen in München, ihr kämpft nicht allein!