Ort: Passau (Bayern)
Bevölkerung: 51.781 Einwohner*innen
Selbstbezeichnung: Universitätsstadt, Die-Drei-Flüsse- Stadt
Passau, ein kleiner und beschaulicher Ort im tiefsten Niederbayern, bekannt vor allem als Drei-Flüsse-Stadt, für barocke Architektur und den Stephansdom. Jedes Jahr pilgern tausende Tourist*innen aus aller Welt durch die historischen Gassen und bayerischen Wirtshäuser, der sich als „kosmopolitisch“ und weltoffen gerierenden Stadt. Als im Sommer 2015 tausende Geflüchtete den Weg nach Deutschland suchten, um dort Asyl zu beantragen geriet Passau in den Fokus der medialen Berichterstattung und kaum eine andere Stadt stand mehr für „Willkommenskultur“. Doch der Schein trog schon damals und das tut er auch heute noch. Passau steht exemplarisch für all das, was im Kampf gegen autoritäre Formierung und die extreme Rechte schief läuft.
Während extrem rechte Akteure in Ostbayern und Passau, von AfD über die Burschenschaft Markomannia Wien zu Deggendorf bis hin zum neonazistischen „III. Weg“ vertreten sind und immer aktiver werden, bleibt der Protest der Zivilgesellschaft weitgehend aus – im besten Fall. Häufig ist es damit nicht getan, regelmäßig schlägt linken Aktivistinnen aus eben jener Bevölkerung, die sich als weltoffen begreift, Unverständnis, Ablehnung und manchmal auch Hass entgegen. Aus falsch verstandener Meinungsfreiheit und Pluralismus unter dem Credo „Jeder soll sagen dürfen, was er*sie will, egal wie rassistisch oder NS-verherrlichend es ist“ werden extrem rechte Kräfte toleriert und teils hofiert.
Exemplarisch zeigt sich das am Beispiel der neofaschistischen Burschenschaft Markomannia, einer Studentenverbindung, die als Sammelbecken und Netzwerk für AfD, Identitäre Bewegung, rechte Hooligans und Neonazis dient. Im Winter 2019 verlagerte die eigentlich in Deggendorf ansässige Burschenschaft ihre Aktivitäten immer mehr nach Passau, rekrutierte an der Universität neue Mitglieder und traf sich in ihrer Konstante in der Passauer Altstadt zum gemeinsamen Kampfsporttraining. Den antifaschistischen Recherchen, die all das aufdeckten, schlug dagegen vor allem Desinteresse entgegen und die journalistische Arbeit wurde mit „Stasi-Methoden“ gleichgesetzt. Nachdem öffentlich wurde, dass ein Mitglied der extrem rechten Burschenschaft versucht hatte, sich als Spitzel in linke Gruppen und das Offene Antifaschistische Treffen einzuschleusen, überschlugen sich rechte Medien bundesweit vor Stolz über die „mutige Tat“ und auch die bürgerliche Presse in Passau sprang auf das von Rechten gesetzte Narrativ „Student von Linksextremen an Universität angegriffen“ an. Dieser Versuch, linke Gruppen an der Universität gezielt zu diskreditieren und langfristig eine rechte Hegemonie an der Hochschule zu schaffen, den selbst der Bayerische Verfassungsschutz nicht mehr leugnete, führte Seitens der Universität lediglich zu Sanktionsdrohungen gegenüber Linken – schließlich gilt es, einen guten Ruf zu wahren. Wenig später wurde bekannt, dass es sich bei einem weiteren Mitglied der Markomannia um Tobias L. handelt, der wegen extrem Rechter Positionen bereits von der Bundeswehruniversität in München verwiesen wurde und im Verdacht steht, einen Anschlag auf die damalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen geplant zu haben. Wie nicht anders zu erwarten, stieß auch diese neue Erkenntnis in Passau auf wenig Resonanz, nicht einmal als der rechte Spitzel und der mutmaßliche Rechtsterrorist gemeinsam die Gründung einer Campus Alternative an der Universität initiierten und deren Treffen besuchten. Die Universität kann keine gegen ihr Leitbild oder das Grundgesetz verstoßenden Bestrebungen erkennen und stellt den extrem rechten Akteuren daher weiterhin Räumlichkeiten und die Möglichkeit zur Beantragung von Fördergeldern. Auch die Stadt findet nichts dabei, wenn an Feierlichkeiten wie dem Volkstrauertag extrem rechte Burschen Seite an Seite mit städtischen Vertreterinnen den Opfern oder wahlweise auch den deutschen Tätern zweier Weltkriege gedenken. Der Umgang mit der extremen Rechten in Passau konzentriert sich also vor allem darauf, alles, was den guten Ruf der Stadt oder der Universität schädigen könnte, totzuschweigen. Währenddessen druckt die lokale Presse fröhlich jede Stellungnahme der, ausnahmslos dem extrem rechten Flügel angehörenden AfD-Passau, in voller Länge ab und die CSU bemüht sich redlich die AfD dabei noch rechts zu überholen. Um das Bild abzurunden, unternehmen auch die Passauer Behörden – allen voran der Staatsschutz – alles, um antifaschistische Veranstaltungen zu verhindern. Im Sommer 2018 versuchten die Beamtinnen beispielsweise eine Vortragsreihe zu „5 Jahren NSU-Komplex“ von antifaschistischen Gruppen und der Partei Die Grünen zu verhindern, indem versucht wurde die Besitzer*innen des Veranstaltungsortes einzuschüchtern.
Die extreme Rechte verfügt in Passau bei weitem nicht über die gesellschaftliche Hegemonie, die sie in anderen Städten, häufig in Ostdeutschland, hat. Die Stadt steht aber exemplarisch dafür, wie verharmlosender Umgang mit der extremen Rechten, eine erzkonservative Bevölkerung, neoliberale Studierende und Law&Order-Politik gegen progressive Kräfte zusammenspielen und autoritäre Positionen wieder salonfähig machen und hat es deshalb verdient, im Kaltort-Ranking 2019 anzutreten.
Weiterführende Informationen zu der extremen Rechten in Passau und Niederbayern finden sich unter hier.