Ort: Plauen (Sachsen)
Bevölkerung: 66.000
Selbstbezeichnung: Spitzenstadt Plauen
PLAUEN, wo Häuser brennen, Nachbarn dazu klatschen und trotz allem gegen Nazis gekämpft wird
Plauen im Vogtland war zu Beginn des 20. Jahrhunderts eine vergleichsweise reiche Stadt und Mittelpunkt der Textilindustrie sowie des Maschinenbaus. Nach dem Zweiten Weltkrieg lag Plauen am hintersten Rand der DDR und dümpelte weitestgehend bedeutungslos vor sich hin, war jedoch trotzdem Standort einiger wichtiger Industrien. Seit 1990 ist Plauen von Deindustrialisierung betroffen. Wie in ähnlichen Städten blieben nach 1990 die ‚blühenden Landschaften‘ aus und viele Menschen, vor allem junge und gut ausgebildete, sahen sich gezwungen, wegzuziehen.
Sozialstrukturell ist noch zu sagen, dass es sich um die ‚Billiglohnregion Sachsens‘ handelt, mit einem hohen Anteil an Menschen, die in völlig prekären Arbeitsverhältnissen stecken. Hier ist auch ein Generationskonflikt in Form von Lohngefälle von ‚alt‘ nach ‚jung‘ erkennbar. Mit den Niedriglöhnen hat die Lokalpolitik übrigens sogar
Werbung für die Ansiedlung von Unternehmen gemacht. So berichten es die Antifaschistischen Gruppen des Vogtlandes (agv) 2018 in einem Interview.1
Nazis gibt es in Plauen zahlreich. Diese sind vorwiegend in den Stadtteilen Haselbrunn und Preißelpöhl aktiv. In Haselbrunn ist auch das selbsternannte ‚Bürgerbüro‘ des III. Weg, von dem aus diverse Aktionen koordiniert werden wie eine nationalsozialistisch inspirierte Winterhilfe. Beide Stadtteile haben zahlreiche rechte ‚Lifestyle‘-Angebote: ein Thor-Steinar-Laden, der Fußballverein SpuBC (Sport- und Ballspielclub) , der unter seinen Spielern Nazis toleriert und eine sehr rechte Anhängerschaft hat, sowie mehrere Kneipen, von denen regelmäßig rechte Angriffe ausgingen und deren Betreiber*innen selbst Nazis sind. Nazis sind in Plauen auch auf parlamentarischer Ebene vertreten – der III. Weg ist mit Tony Gentsch im Stadt- und Kreistag vertreten und die AfD konnte bei den Landtagswahlen in Sachsen 28,5 % der Stimmen holen.
Neben regelmäßigen rassistischen Angriffen und Beleidigungen fanden in Plauen zum Jahreswechsel 2017/2018 zwei schwere Brandstiftungen statt. Am 29. Dezember 2017 brannte ein Haus in der Trockentalstraße. Während des Brandes skandierten Anwohner „Sieg Heil“, “lasst sie brennen”, attackierten Einsatzkräfte und machten das Löschen nahezu unmöglich. Ausschließlich zwei Jugendliche, die gerade die Straße entlang fuhren, hielten an und halfen den Hausbewohnerinnen aus dem brennenden Haus. Im brennenden Haus wohnten mehrheitlich Roma-Familien aus der Slowakei. 19 Personen wurden bei dem Brandanschlag verletzt. Zwei Frauen und ein fünf Jahre altes Kind erlitten so schwere Verbrennungen, so dass Lebensgefahr bestand. Nur wenige Monate später, am 13. Juli 2018, wurde das Verfahren gegen Jens W. durch die Staatsanwaltschaft Zwickau eingestellt, da dem Beschuldigten die Tat nicht nachgewiesen werden konnte. „Die Sachbearbeiterin sei zu dem Schluss gekommen, dass die Zeugenaussagen nicht ausreichten“.2 Die Staatsanwaltschaft Zwickau hat mit der Einstellung des Verfahrens ein brutales Zeichen der Gleichgültigkeit ausgesendet. Brandstiften, das Anzünden von Menschen blieben ohne juristische Konsequenz. Mit der Einstellung des Verfahrens kann auch keine Zivilklage erhoben werden. Die rassistischen Nachbarinnen – Vater und Sohn – wurden derweil vom Gericht Plauen zu 500 Euro Strafe verurteilt. Dem Sohn wurde ein Aufsatz mit 800 Worten über das Thema „Ausländerfeindlichkeit bei nicht kriminellen Ausländern“ abverlangt.
Wenige Wochen später kommt es in der Dürerstraße erneut zu einem Brand. Nicht alle können rechtzeitig das brennende Gebäude verlassen, es sterben zwei Menschen in der Dachgeschosswohnung. Die beiden Toten sind jugendliche Punks. Ein 27-Jähriger aus dem Freundeskreis der Todesopfer wurde wegen zweifachen Mordes zu lebenslänglicher Haft verurteilt.
Dieser Brandanschlag galt vermutlich nicht den Romnja, dennoch sind sie erneut betroffen: In diesem Haus sind genau die Familien aus der Slowakei untergebracht, die ihre Wohnungen in der Trockentalstraße verloren hatten. Die Romnja mussten sich binnen fünf Wochen zwei mal aus
einem brennenden Haus retten. Auch hier kam die Nachbar*innenschaft nicht zur Hilfe. Kaltland.
Ein weiterer Brand fand am 1. Dezember 2019 statt. Zwei 19 Jahre alte Asylbewerber aus Syrien sowie eine 31 Jahre alte Deutsche zogen sich Rauchgasvergiftungen zu.
Diese Ereignisse der letzten Jahre zeigen – Plauen ist ein Beispiel der sächsischen Verhältnisse und verdient die Auszeichnung Kaltort 2019.
1: http://critiquenact.blogsport.eu/2018/05/15/sich-nicht-daran-gewoehnen-wenn-nachbarschaften-verbrennen-lassen/
2: https://taz.de/Roma-in-Sachsen/!5531184/