Zwickau, Kaltort-Ranking 2019

Ort: Zwickau
Bevölkerung: 91.123 Einwohner*innen
Selbstbezeichnung: Stadt des Bergbaus, Automobilstadt

Schon 2016 war Zwickau ein Drecksnest im Kaltortranking: In dem Jahr wurde mehrfach gegen die Einrichtung einer Geflüchtetenunterkunft demonstriert und ein Brandanschlag auf diese verübt, ein Auftritt des Bundesjustizministers Heiko Maas am 1. Mai wurde von Rassist*innen so gestört, dass er unter massivem Polizeischutz stattfand und bei einer antifaschistischen Demonstration im November reagierten Anwohner*innen mit Hitlergrüßen und Pöbeleien. Anschließend wurde eine Installation zum Gedenken an die Opfer des NSU beschädigt.

Auch im Rückblick auf 2019 darf Zwickau nicht fehlen. Die Stadt, in der sich der NSU so viele Jahre heimisch fühlen und in bester Gesellschaft mit Nachbar*innen unter der Hitlerbüste feiern konnte, pflanzte die Oberbürgermeisterin Pia Findeiß am 8. September auf dem Schwanenteich-Gelände einen Baum; und zwar eine junge deutsche Eiche. Nach jahrelangem Klagen, allen voran von Findeiß, nicht länger als „Stadt der Täter“ bezeichnet werden zu wollen, was sie auch vor dem sächsischen NSU-Untersuchungsausschuss nicht müde wurde zu betonen, sollte mit dieser Geste an das erste Mordopfer des NSU, Enver Şimşek erinnert werden. Kontakt mit der Familie Şimşek hat man dazu nicht aufgenommen. Knapp einen Monat später ging dann eine bundesweite Welle der Empörung durch die Medienlandschaft: der Baum wurde abgesägt und Zwickau stand schon wieder in der rechten Ecke.

Aber Zwickau kann mehr: Am 3. November wurden zehn Bäume im Gedenken an die Mordopfer des NSU gepflanzt. Die Perspektiven der Betroffenen und Hinterbliebenen spielten wieder keine Rolle, Angehörige wurden wieder nicht eingeladen, die Namen der Mordopfer auf den Gedenktafeln zum Teil falsch geschrieben und auch nicht in den Reden der städtischen Offiziellen genannt. Stattdessen stelle die Oberbürgermeisterin Zwickau als Stadt des Bergbaus vor. Bei ihr überwog auch die große Freude über die eifrig gespendeten Gedenktafeln, alles andere schien nebensächlich zu sein, wie beispielsweise ein AfD-Kranz vor dem abgesägten Baum.

Im Dezember hat Benjamin Przybylla, der zusammen mit André Poggenburg die Rechtsaußen-Splitterpartei „Aufbruch Deutscher Patrioten – Mitteldeutschland“ (ADPM) gründete, anlässlich einer Fridays for Future-Demonstration eine Gegendemo angemeldet. Dazu gab es selbstgebackene Kekse mit der Aufschrift „NSU“, die an die Motorenfabrik NSU erinnern sollten. Die Verbindung zum Terrornetzwerk liegt nahe, was Przybylla auch nicht verneinte.
Acht Jahre nach der Selbstenttarnung des NSU sind es Kontinuitäten des Zusammenwirkens der menschenfeindlichen Bevölkerung, organisierten Neonazis und staatlichen Institutionen, die ein Klima der Angst für alle die schaffen, die nicht ins Bild dieses Zwickau passen. Der städtische Gedenkhain steht nun 24 7 unter Polizeischutz.

Zwickau im Kaltortranking 2016 (Facebook)

1000 Gründe für Zwickau – eine unvollständige Chronik

PM der Initiative „Tribunal NSU-Komplex auflösen“ zum Gedenken in Zwickau

Über die Gegendemo der ADPM