Redebeitrag Eisenach: Es muss alles ganz anders sein.

Es muss alles ganz anders sein

Redebeitrag zum Konzept„Unversöhnliche Intervention“, 16.03.2019 Eisenach
Bündnis Irgendwo in Deutschland, Hier abgemischt nachhören
 
Dies ist eine unversöhnliche Intervention. Wir sind heute nicht mit offenen Armen und Erklärungen hier. Wir suchen hier nicht nach neuen Verbündeten, denen bis eben noch egal war, dass Menschen angegriffen und durch die Straßen dieser Stadt gejagt werden. Wir wollen nicht verstehen, warum Leute sich dazu entschließen zu Rassismus und Menschenfeindlichkeit zu schweigen, sie zu tolerieren, zu verharmlosen oder mitzumischen. Wir wollen ein deutliches Zeichen setzen gegen Nazis und den rassistischen Normalzustand in Eisenach.
Zeigt uns, wo ihr steht – denn wir kommen, um zu spalten. Wir freuen uns, bei jeder Demonstration, dass wir nicht alleine auf der Straße sind. Wir freuen uns, auch in den entlegensten und fiesesten Orten in Kaltland auf Freund*innen einer besseren Gesellschaft zu treffen. Wir grüßen euch, lasst euch nicht unterkriegen! Wir sind auch aus Solidarität mit den Betroffenen der Nazigewalt und rassistischen Angriffe auf der Straße.
Wir sind hier, um die lange Liste an Nazi-Angriffen und rassistischer Gewalt nicht unbeantwortet zu lassen. Wir kommen, um den Ruf dieser Stadt in den Dreck zu ziehen. Wir teilen nicht mehr in gute und schlechte Bewohner*innen, schreiben nicht „Ja, aber“. Warum auch? Wir sind hier, weil es so wie es ist, nicht weitergehen kann. Weil das Ergebnis dieser Stadtgesellschaft Angst und Terror sind. Angst bei allen, die nicht in das völkische Weltbild passen und die dabei nicht mitmachen wollen oder können.
Wir kommen um aufzudecken. Wir kennen die Reflexe auf linke Demonstrationen, die Angriffe und Abwehr von Seiten der lokalen Medien, der Naziszene und der Bürger*innen. Wir halten der vergemeinschafteten Bevölkerung den Spiegel vor. Die herrschenden Zustände entlarven sich selbst, sobald Kritik von außen auftritt. Wie einig sich hier eigentlich alle – von Nazis bis ins Rathaus – sind, wie leicht sich alle auf einen Feind, einigen können, wenn die völkische Ruhe gestört wird. Wir beweisen es seit der Anmeldung unserer Demonstration.
Wir kommen um von Menschen abzulenken, die hier leben müssen und suchen die Auseinandersetzung, lassen uns angreifen.
Wir kommen als Anklage. Wir wollen zeigen, dass das, was hier als normal oder angemessen gilt, andernorts verurteilt wird. Wir kommen in Orte wie Eisenach, Wurzen oder Zwickau, wo Staat und lokale Gesellschaft versagen, wo Menschen nicht sicher leben können.
Wir wollen die „Kosten für das Ausleben des Rassismus in die Höhe treiben“. Wir wollen, dass Eisenach, ebenso wie Heidenau, als Bildnis für den rassistischen Normalzustand dasteht. Wir wollen Presseartikel, wir wollen eine öffentliche Debatte, wir wollen eine Schlammschlacht. Wir wollen, dass der Tourismus einbricht, dass hier keine Unternehmen ansiedeln und die bestehenden wegziehen, dass der rassistische Alltag wenigstens sichtbar wird. Wir glauben nicht daran, dass die Leute plötzlich einsehen, das ihr Rassismus in Mord und Totschlag endet und deshalb falsch ist. Wir glauben aber daran, dass er unterdrückbar ist, wenn die Folgen zu schwerwiegend sind.
Wir wissen auch, dass die Kräfteverhältnisse nicht zu unseren Gunsten stehen. Wir wollen Druck und wir fordern Handeln. Doch wir sind realistisch: Wir wissen, dass viele Reaktionen auf unsere Interventionen Lippenbekenntnisse waren, beispielsweise durch die lokale Politik, etwas gegen Rassismus zu unternehmen. Eisenach und andere Orten sind nicht per Dekret entnazifizierbar. Rassist*innen ändern ihre Einstellung nicht. Das haben sie zur Genüge bewiesen. Aber wenn wir ihnen ihr Handeln erschweren, Übergriffe gar verhindern und eine größere Öffentlichkeit dafür erzeugen, ist viel gewonnen.
Auf allen Ebenen, mit allen Mitteln. Es muss alles ganz anders sein