München, Kaltort Ranking 2017

Ort: München
Bevölkerung: 1 542 886 Einwohner_innen
Selbstbezeichnung: Minga – die nördlichste Stadt Italiens.
Besonders stolz auf: Weißwurst, Weißbier & Brezen, Traditionen aller Art, Sicherheit & Ordnung…
#München: Letztes Jahr schon in unserem #Kaltort-Ranking nominiert! Die Stadt hat wenig dafür getan, dieses Jahr nicht zu den auserwählten Orten zu gehören.
Auch im Jahr 2017 war sie die sicherste Stadt Deutschlands. Die Süddeutschen Zeitung berichtet stolz, dass sich die Anzahl der Straftaten im Vergleich zum Vorjahr um 12% reduziert hat. Laut SZ liegt das am Rückgang der illegalen Zuwanderung.1 Im Artikel klärt sich zwar auf, dass dies faktisch richtig ist, denn illegale Einreise = Straftat – > ergo weniger illegale Einwanderung = weniger Straftaten. Den Satz ohne Kontext als Untertitel der Schlagzeile zu verwenden, bedient allerdings extrem rassistische Stereotype, die in München aber scheinbar sowieso breite Zustimmung finden. Denn trotz einer stramm rechten CSU wählten stabile 8,4% der Münchner_innen bei der Bundestagswahl die AfD. Obwohl München die sicherste Großstadt Deutschlands ist, kann Bayern im Jahr 2017 immerhin 190 Übergriffen auf Geflüchtete und deren Unterkünfte vorweisen.2
Historisch blickt man in München auch auf eine längere Tradition von rassistisch motivierten Morden und deren Relativierung – begonnen mit dem Oktoberfestattentat 1980 über die beiden Morde des NSU 2001 und 2005 und dem rassistischen 9fach Mord am OEZ 2016. Unsere Kritik zielt nicht darauf ab, dasss München als Ort rassistischer Morde ausgewählt worden ist. Wir kritisieren München für die rassistische Ermittlungspraxis der Polizeibeamt_innen, die rassistische Berichterstattung der Medien und (Nicht-)Umgang der Stadt mit dem Geschehenem – dem Versuch der Unsichtbarmachung durch Einzeltäterthesen und einer Reduzierung des städtischen Gedenkens auf ein Minimum. So trägt München seinen Teil dazu bei, dass die Tradition der rassistischen Morde hier gepflegt werden kann.
Ein Eindrückliches Beispiel für rassistische Ermittlungspraxis und ebensolche mediale Berichterstattung bietet ein Ausschnitt der Pressekonferenz zu dem Brandanschlag auf ein mehrheitlich von Nicht-Deutschen bewohntes Haus in der Dachauer Straße im November 2016, bei dem 3 Menschen ermordet wurden. Auf der Pressekonferenz wird über die Schwierigkeiten bei den Ermittlungen berichtet, die allesamt daraus zu resultieren scheinen, dass die Bewohner_innen des Hause nicht Menschen der weißen Mehrheitsgesellschaft sind. Die anwesenden Journalist_innen nehmen die stereotypen Zuschreibungen und rassistischen Andeutungen des Polizeisprechers offensichtlich nur allzu gerne auf.3 Dass das Mordmotiv hier Rassismus war, scheint für Justiz und Mehrheitsgesellschaft ausgeschlossen zu sein. Ebenso wie im Fall von David S. wird auch hier auf die Zuwanderungsbiographie des Täters bzw. des Tatverdächtigen verwiesen und Rassismus als Tatmotiv dadurch ausgeschlossen. Trotz neuer Gutachten, die die rassistische und rechtsextreme Gesinnung von David S. belegen, tun sich Medien und Ermittlungsbehörden ungleich schwerer damit, dies anzuerkennen. Über die vormals angenommenen ‚Alahu akbar‘-Rufe oder die Erzählung vom psychisch kranken, gemobbten und einsamen jungen Menschen war in der Presse deutlich mehr zu lesen als über das abschließende Gutachten nach Prozessende oder den Prozess gegen den offen rechtsextremen Waffenhändler, von dem David S. seine Mordwaffe erhielt.4
Zu einer besonderen Glanzleistung möchten wir noch dem DGB in München gratulieren. Der DGB kündigte dem im Herbst geplanten Antifa-Kongress Bayern die Räumlichkeiten. Dies geschah nach Skandalisierung der Veranstaltung durch extrem-rechte Medien und Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) und der Gewerkschaft der Polizei (GdP). Nach einer Welle der Solidarität, zähen Verhandlungen und einer peinlichen Erklärung des DGB fand der Kongress dann doch dort statt.
Zusammengefasst: München, die Stadt mit einer langjährigen Tradition rassistischer Morde! Gepflegt wird diese durch ein rassistisches Grundklima und dem Festhalten an traditionell deutschem Nichts-Sehen, Nichts-Hören und Nicht-Mitbekommen wollens. Ach, als letzte gut gepflegte Tradition möchten wir die Kriminalisierung von Linken und Antifaschist*innen nicht vergessen.
Glückwunsch! München – du in Stein und Beton gegossener brauner Trachtenverein hättest die Auszeichnung zum #kaltort2017 definitiv verdient!
1 http://www.sueddeutsche.de/muenchen/kriminalitaet-muenchen-ist-die-sicherste-grossstadt-deutschlands-1.3423226#redirectedFromLandingpage
2 https://www.mut-gegen-rechte-gewalt.de/service/chronik-vorfaelle?field_bundesland_tid%5B0%5D=16&field_art_tid%5B0%5D=861&field_art_tid%5B1%5D=858&field_art_tid%5B2%5D=860&field_art_tid%5B3%5D=859&field_art_tid%5B4%5D=939&field_date_value%5Bvalue%5D%5Byear%5D=2017
3 https://www.tz.de/muenchen/stadt/live-stream-polizei-informiert-zum-brand-in-dachauer-strasse-7732199.html
4 https://www.facebook.com/deutschland.demobilisieren/posts/1480810655332504:0
https://www.facebook.com/deutschland.demobilisieren/posts/1551106854969550