Bautzen, Kaltort Ranking 2017

Ort: Bautzen
Einwohner_innenzahl: 40.798
Selbstbezeichnung der Stadt: Die Stadt der 2 Sprachen, 8 Museen, 17 Türme, 20 Senfsorten, 80 Innenstadt-Kneipen, über 200 Saurier und eine über 1.000 jährige Geschichte. Außerdem: Kaltort 2016
Die Gewinner-Stadt von 2016 hat auch in diesem Jahr wieder einiges dafür getan, den wohlverdienten Titel als „Kaltort des Jahres“ zu verteidigen. Die Geschichtsträchtigkeit der Stadt zeigt sich eben nicht nur in der beeindruckenden Zahl an Senfsorten und Sauriern, sondern auch den Angriffen auf Geflüchtete und Andersdenkende der letzten Jahre wie auch der Repräsentanz organisierter Nazistrukturen. Erst durch ein Outing des Antifa Recherche Teams Dresden konnte die Karriere eines Bautzener Nazis in der sächsischen Finanzbehörde gestoppt werden.[1] Wie weit das Selbstverständnis Bautzens als zweisprachig und „interkulturell“ reicht, haben die Stadt, ihre Nazis und Bürger_innen bereits im letzten Jahr bewiesen: Hetzjagden auf Geflüchtete, eine schweigende bis zustimmende Bevölkerung und eine untätige Polizei, die diese Vorfälle verharmlost. Diese Leistungen blieben nicht unbemerkt – für die „gelungene Integration“ der Geflüchteten wurde die Stadt in diesem Jahr sogar für den sächsischen Integrationspreis nominiert. Auch wenn es medial um Bautzen ruhiger geworden ist, die allgegenwärtige rassistische Stimmung in der Stadt ist auch 2017 unverändert geblieben. So hat die AfD im Rahmen der Bundestagswahl ein Ergebnis von 32,8 % erzielt – und lag damit noch vor der Stammpartei CDU, deren sächsische Ausprägung bekanntermaßen besonders reaktionär ist.
Die Spielwiese des rassistischen Mobs war auch in diesem Jahr wieder der Kornmarkt. Am Abend des 28. Juli 2017 kam es erneut zu rassistischen Angriffen auf eine Gruppe von Geflüchteten, u.a. mit einer abgebrochenen Bierflasche. Die beteiligten Nazis hatten sich über die sozialen Netzwerke organisiert und zusammengerottet, Teile von ihnen waren mit Pfefferspray und Sturmhauben bewaffnet. Die Polizei reagierte mit deutlich kommunizierter „deutscher Härte“ und verbalen rassistischen Angriffen gegenüber den Geflüchteten. Und die Reaktion der Stadt darauf – ein Aufenthaltsverbot in der Stadt für einen jungen Geflüchteten, der als Verantwortlicher für mehrere Vorfälle im Zusammenhang mit dem Kornmarkt ausgemacht wurde. Klar ist: nicht der Mob, sondern die Geflüchteten sind das Problem – vermutlich aus diesem Grund hat ein CDU Landrat auf Facebook einem NPD Funktionär Informationen über einen Geflüchteten zur Verfügung gestellt.[2] Sächsische Verhältnisse at its best.
In der Begründung für den Titel schrieben wir im letzten Jahr:
„Bautzen ist, wenn die Nazis machen können, wie sie wollen. Wenn Sorb_innen und Geflüchtete zu Gejagten werden, wenn Menschen, die sich mit ihnen solidarisieren, ebenfalls zum Ziel erklärt werden.“
Gerade rund um (alkoholbefeuerte) Volksfeste findet der Mob den Mut zum Zuschlagen: So zeigten sich Nazis offen mit „Landser“ Klamotten auf dem Weihnachtsmarkt, genossen die tägliche (kein Scheiss!) Darbietung der Feuerzangenbowle[3] und schlugen dort Anfang Dezember ein Mitglied der Linksjugend krankenhausreif zusammen.[4] Letzte Woche hat es nun wieder geknallt, insgesamt 15 Jugendliche “ Einheimische und Zugereiste verschiedener Nationalitäten“ sollen laut der unerträglichen Sächsischen Zeitung „in Streit geraten sein.“[5]
Das bedeutet neben gepackten Reisetaschen in euren Kofferräumen, dass ihr auch über die Feiertage wohl immer mal einen Blick in die sozialen Medien (also auch jenseits des Kaltort-Rankings) werfen solltet. Und natürlich, dass Bautzen drauf und dran ist den Titel zu verteidigen.
1- https://naziwatchdd.noblogs.org/post/2017/12/13/boxnacht-bautzen-nazis-vor-und-hinter-den-kulissen/
2- http://www.zeit.de/2017/33/rechtsextremismus-bautzen-alexander-ahrens/seite-2, 21.12.2017
3- http://feuerzangenbowle.blogsport.de/2008/12/01/erster-eintrag/
4- http://www.schmanle.de/category/die-schlechte-seite/
5- http://m.sz-online.de/nachrichten/auseinandersetzung-auf-dem-kornmarkt-3845793.html
 

  • Im letzten Jahr stach Bautzen als Elendster der furchterregenden Orte hervor, zumindest stimmten am meisten Menschen dafür, dass Bautzen Kaltort des Jahres sein sollte. Die Beschreibung der lokalen Situation des letzten Jahres könnt ihr hier nachlesen, hier gibt es unser Anschreiben an die Stadtverwaltung und ein Video vom Pokalversand.
  • Die diesjährige Abstimmung findet der Einfachheit halber wieder auf Facebook statt. Wenn ihr am Abstimmen Anfang 2018 Interesse daran habt, müsst ihr in diesem Event teilnehmen.