Kaltort-Ranking2017: Anklam
Einwohner_innen: 12.712 Einwohner_innen
Selbstbezeichnung: Das Tor zur Sonneninsel Usedom, Geburtsstadt des Flugpioniers Otto Lilienthal Motto: „Ich flieg auf Anklam“
Anklam liegt in Ostvorpommern und hat alles zu bieten, was eine Stadt in einer der strukturschwächsten Regionen Deutschlands ausmacht: hohe Arbeitslosigkeit, massive Bevölkerungsabwanderung, Perspektivlosigkeit und haarsträubende Wahlergebnisse.
Bei der Landtagswahl 2016 hängte die AfD mühelos alle weiteren Parteien ab. Ihr Kandidat Dr. Matthias Manthei erhielt mehr als 30 Prozent der Wählerstimmen. Zur Bundestagswahl 2017 erwies sich die AfD in der Hansestadt, mit über 20 Prozent, als zweitstärkste Kraft. Nur einen Tag später kehrte Manthei seiner Partei den Rücken. Die AfD sei ein Sammelbecken für Radikale geworden und in der Partei hätten sich zahlreiche frustrierte Menschen versammelt, die voller Hass gegen Andersdenkende sind, so seine Begründung. Man ersetze AfD durch Anklam und könnte es kaum treffender formulieren.
Auch die NPD ist in Anklam nach wie vor etabliert und fest im Stadtbild verankert. Ihr ehemaliger Landtagsabgeordneter, der Rechtsanwalt Michael Andrejewski, lädt jeden Montag zur Sozialberatung in das „Nationale Bildungs- und Begegnungszentrum“ in der Pasewalker Straße. Hier hat es sich die NPD seit 2007 in einem ehemaligen Möbelhaus gemütlich gemacht, welches Andrejewski und Tino Müller, ebenfalls NPD-Mann und Kameradschaftsaktivist, bei einer Zwangsversteigerung erwarben. Desweiteren ist das Gelände einer ehemaligen Großbäckerei in rechtsextremem Besitz. Dort ist neben einem NPD-Büro auch der rechtsextreme Verlag „Pommerscher Buchdienst“ und die „Pommersche Volksbibliothek“ eingerichtet. Fünf Gehminuten vom Anklamer Rathaus entfernt liegt das „New Dawn“, ein Fachgeschäft für einschlägige Klamotten, CD‘s und Printmedien.
Seit Jahren unterwandert die NPD die Zivilgesellschaft und macht sich die Versäumnisse der anderen Parteien zunutze. Sie veranstalten kostenlose Grill- und Kinderfeste. Es ist keine Seltenheit, dass bei Stadtfesten Akteure der rechten Szene als Security arbeiten. Rechtsextreme Szene und bürgerliches Leben sind in Anklam fest miteinander verflochten. Jeder Stadtbewohner findet regelmäßig den „Anklamer Boten“ in seinem Briefkasten – ein vermeintlich unabhängiges Mitteilungsblatt, welches Andrejewski herausgibt.
Anklam fällt außerdem durch eine starke Kameradschaftsszene auf, in der bis zu 60 Personen autonom agieren. Der Kameradschaftsbund Anklam (KAB) entstand im direkten Umfeld von „Blood & Honour“ und ist eine der ältesten Kameradschaften im Nordosten. Er zählt zum Netzwerk der Hammerskin Nation.
Doch auch in Anklam gibt es einen Lichtblick: Im Jahre 2014 wurde der Demokratiebahnhof ins Leben gerufen. Das Jugend- und Kulturzentrum wird ehrenamtlich organisiert und hat sich auf die Fahne geschrieben, zur Entwicklung einer lebendigen Zivilgesellschaft beizutragen. In dem ehemaligen Bahnhofsgebäude finden regelmäßig Vorträge, Diskussionsrunden, Film- und Musikabende statt. Seit seiner Gründung muss sich der Demokratiebahnhof leider ebenso regelmäßig gegen rechte Anfeindungen und Angriffe wehren. Im vergangenen Juni kam es beispielsweise zu einem nächtlichen Anschlag, bei dem Farbbomben und Molotowcocktails flogen. Zu diesem Zeitpunkt übernachteten 7 Pfadfinder in dem Hausprojekt und nur durch ihr beherztes Einschreiten konnten schlimmere Folgeschäden verhindert werden.
Ihr seht: Anklam ist heiß auf den Titel #Kaltort2017!