Ich bin von Amaro Foro; Amaro Foro ist eine Jugendselbstorganisation von Rom*nja und Nicht-Rom*nja.
Der NSU mordete in Deutschland über zehn Jahre lang ungestört. Neun von zehn Opfern hatten einen sogenannten Migrationshintergrund. Die Polizeibehörden schlossen einen rassistischen Tathintergrund über Jahre hinweg konsequent aus. Stattdessen ermittelten sie im Umfeld der Hinterbliebenen, stigmatisierten und kriminalisierten sie. Die Familien wurden eingeschüchtert. Unterstützung erhielten sie nicht. Ihre deutlichen Hinweise auf einen möglichen rassistischen Hintergrund wurden ignoriert.
In einem Fall war die Tote eine Deutsche ohne Migrationshintergrund: die Polizistin Michèle Kiesewetter, die 2007 in Heilbronn erschossen wurde. Auch hier zogen die Ermittler*innen nicht einmal in Erwägung, dass die Täter der extremen Rechten angehören könnten. Stattdessen konstruierten sie aufgrund von DNA-Spuren einer Frau am Tatort das sogenannte Phantom von Heilbronn: Dieselbe DNA wurde bereits an einigen anderen Tatorten in Deutschland und umliegenden Ländern gefunden. Die Polizei ging deshalb von einer hochmobilen und hochkriminellen Täterin aus, die vermutlich aus dem Roma-Milieu stamme. Bereits diese Vorannahme war offensichtlich durch rassistische Stereotype der Ermittler*innen geprägt. Sie ermittelten dann die sogenannte biogeografische Herkunft der potenziellen Täterin. Daraus ergab sich eine mögliche osteuropäische Herkunft. Daraufhin fokussierten sich die Ermittler*innen auf sogenannte Fahrende und besonders Sinti*zze und Rom*nja. Ins Visier geriet unter anderem eine Gruppe serbischer Rom*nja, die sich in der Nähe des Tatorts aufgehalten hatte. Insgesamt mussten über 3000 Rom*nja Speichelproben abgeben. Im Dezember 2008 kam dann heraus, dass die DNA-Spuren auf Verunreinigungen im Labor zurückgingen. Ein klarer Fehler. Die Polizei hielt trotzdem an ihrer rassistischen Ermittlungspraxis fest – zu wirkmächtig war das antiziganistische Vorurteil.
Die Ermittlungsakten ebenso wie die Medienberichte zum Fall Kiesewetter sind voll von rassistischen Bezeichnungen und Zuschreibungen. Noch bis 2009 wurde bei etlichen Rom*nja eine Kfz- und Telefonüberwachung durchgeführt. Die Betroffenen wurden darüber in der Regel nicht informiert. Und wie bei den DNA-Proben ist zu bezweifeln, dass die Daten jemals gelöscht wurden.
Diese Ermittlungen reihen sich eine in eine lange Tradition antiziganistischer Polizeiarbeit seit dem deutschen Kaiserreich. Im Nationalsozialismus wurden Sinti*zze und Rom*nja durch die Polizei in einer separaten Kartei erfasst. Polizeispezialisten waren für die Deportationen von Sinti*zze und Rom*nja verantwortlich und sie konnten ihre Expertise auch in der BRD weiter einbringen. Die Karteien aus dem Nationalsozialismus wurden durch Polizeibehörden der BRD oft bis in die 80er Jahre weiterverwendet. Es gibt zahlreiche Hinweise dafür, dass die deutsche Polizei bis heute eine Sondererfassung von Sinti*zze und Rom*nja betreibt.
Ganz aktuell hat die jetzige Bundesregierung beschlossen, die erweiterte DNA-Analyse in Strafverfahren zu ermöglichen. Ein Verfahren, von dem ausschließlich Minderheiten betroffen sein werden, weil die DNA von Angehörigen der Mehrheitsgesellschaft für die Ermittlungen wertlos ist: Die potenzielle Tätergruppe wäre viel zu groß.
Heutzutage werden in Deutschland wieder Lager eingerichtet, die auf Rom*nja abzielen und Balkanzentren heißen – in jenem Land, in dem es schon einmal sogenannte Zigeunerlager gegeben hat. Rom*nja werden im großen Stil nach Südosteuropa abgeschoben, auch wenn sie hier geboren sind.
Auf der Liste von möglichen Anschlagszielen des NSU standen auch das Dokumentations- und Kulturzentrum deutscher Sinti und Roma ebenso wie der Zentralrat deutscher Sinti und Roma.
Rassismus war in Deutschland nie verschwunden, aber er darf heute wieder offener denn je geäußert werden. Die AfD will in Sachsen Sinti*zze und Rom*nja in Datenbanken erfassen. In Berlin-Friedrichshain wurde vor Kurzem bereits zum zweiten Mal innerhalb weniger Jahre auf ein Roma-Kind geschossen. Es bleibt abzuwarten, ob ein möglicher antiziganistischer Hintergrund in den Ermittlungen überhaupt berücksichtigt wird.
Amaro Foro vertritt die Interessen eingewanderter Rom*nja in Berlin und dokumentiert Diskriminierungen und Übergriffe. Wir kämpfen gegen Rassismus und Ausgrenzung. Die permanente rassistische Bedrohung ist für Rom*nja immer noch eine bittere Realität und zwar durch die extreme Rechte ebenso wie durch die sogenannte Mehrheitsgesellschaft und Teile des deutschen Staates.
Amaro Foro bedeutet Unsere Stadt. Die Stadt gehört allen Menschen, die in ihr leben, egal welche Staatsbürgerschaft oder welches Aussehen sie haben. Und das gilt für jede Stadt, jedes Dorf und jedes Land. Wir haben keinen Bock auf euren Rassismus. Gegen euren Hass setzen wir unsere Solidarität. Opre Roma!