Nordkreuz – NSU 2.0 oder doch nur wieder verwirrte Einzeltäter*innen?

Ort: bundesweit

Ein Netzwerk aus Polizist*innen, Soldaten und Reservisten hortet Lebensmittel, Kraftstoff und Waffen zur Vorbereitung auf Tag X. In Chatgruppen tauschen sie sich über mögliche Szenarien aus – die Rede ist von Umweltkatastrophen, wirtschaftlichem oder politischem Zusammenbruch, oft spielt die „Überfremdung Deutschlands“ durch Flüchtlinge eine zentrale Rolle. Sie sprechen von sogenannten Safe-Houses, absolvieren Schießübungen und Überlebenstrainings und unternehmen gemeinsam Ausflüge auf Waffenmessen.

Sie selbst nennen sich Prepper, ein Begriff, der abgeleitet ist vom englischen ‚to be prepared‘ meint: Sie sind auf alles allzeit vorbereitet. Das rechtsgerichtete Weltbild ist dabei die treibende Kraft. Die besagte (Chat-)Gruppe nennt sich ‚Nordkreuz‘ und geht noch einen Schritt weiter: Sie erstellten Listen mit Namen und Daten von rund 25.000 Personen, allesamt auserwählte Feinde: politische Gegner in Form von öffentlichen Amtsträgern, Journalisten, Politiker, Menschen, die sich für Flüchtlinge einsetzen. Ein nicht unerheblicher Teil der sensiblen Daten stammt aus Dienstcomputern der Polizei.

In Zusammenhang mit den Ermittlungen gegen Franco A., der rechtsextreme Bundeswehrsoldat, der sich als syrischer Flüchtling ausgab und Anschläge vorbereitet hatte, flog das Netzwerk auf. Ermittlungen des Generalbundesanwalts führten in Mecklenburg-Vorpommern zur Durchsuchung der Wohnungen von Jan-Hendrik H., Bürgerschaftsabgeordneter, und Haik J., Polizeibeamter und AfD-Funktionär, sowie Marko G., ehemaliger SEK-Beamter und Präzisionsschütze. In den Räumen G.‘s fanden sie 32.000 Schuss Munition, ein Teil davon fällt unter das Kriegswaffenkontrollgesetz, eine Uzi-Maschinenpistole mit Schalldämpfer. Munition und Waffen wurden systematisch aus Bundeswehrbeständen geklaut. Außerdem hatte die Gruppe Leichensäcke und Ätzkalk geordert, angeblich für Biwak-Zwecke und Latrinenbau.

Der in Schwerin verhandelte Prozess hat wieder einmal nicht das Verlangen, Einzelheiten aufzuklären und Fragen auszuräumen. Beispielsweise gab der vorsitzende Richter an, dass er nur über den Verstoß gegen das Waffengesetz urteilen wolle. Gesinnung und das dahinterstehende Netzwerk haben für ihn keine Relevanz. Eine weitere Blamage ist, dass die auf den sogenannten Feindeslisten verzeichneten Betroffenen nur auf großen politischen Druck von Außen vom LKA informiert wurden. Ungeklärt bleibt, wie viele Mitglieder die Gruppe Nordkreuz und das damit verbundene bundesweite Netzwerk wirklich zählt.

Kurz vor Weihnachten 2019 wird Marko G. in erster Instanz zu einer Strafe von 1 Jahr und 9 Monaten verurteilt, welche aber zur Bewährung ausgesetzt wurde. Dieser Rechtsspruch bleibt hinter der Forderung der Staatsanwaltschaft, diese legte Revision ein.