Erstaunt hat das bundesweite Bündnis “Irgendwo in Deutschland” das Presseecho auf die geplante Demonstration “Das Land – rassistisch, Der Frieden – völkisch, Unser Bruch – unversöhnlich“ am 02.09.2017 in Wurzen wahrgenommen.
Das politische Kalkül der Stadt, die Hamburger Anmelde-Struktur sowie den Namen des Anmelders in den Vordergrund zu stellen, ist mehr als durchsichtig. Die Inhalte des Bündnisses sollen so offensichtlich in den Hintergrund gedrängt werden. Gleichtzeitig soll unser Protest kriminalisiert werden. Um sich nicht mit der Wurzener Neonazi-Struktur und dem gesellschaftlichen Rassismus auseinandersetzen zu müssen, wird in der Stadtgesellschaft der Ruf nach einem Verbot der Demonstration laut.
Während also die Stadtgesellschaft mit suggestiven Bildern aufgewiegelt wird, gerät völlig in Vergessenheit, dass es die Verfasstheit der Stadt Wurzen ist, die das Bündnis “Irgendwo in Deutschland” bewogen hat, diesen Ort für ihre Demonstration auszuwählen. Das Bündnis möchte mit dieser Wahl auch auf sächsische und deutsche Verhältnisse hinweisen, die sich hier zuspitzen.
So heißt es im Aufruf zur Demonstration: “Dabei ist die gesellschaftliche und strukturelle Verankerung der rechten Szene in Sachsen ein wesentlicher Grund dafür, dass sich hier über mehrere Jahre rassistische und rechte Mobilisierungen halten und ausbreiten konnten. Bundesweit sind Orte wie Bautzen, Clausnitz, Freital, Heidenau bekannt geworden für eben diese Mobilisierungen und Gewalt gegen Geflüchtete, ihre Unterstützer*innen und Linke. Sie sind Beispiele und Vorbilder für rechte Bewegungen.”
Die vom Wurzener Bürgermeister vorgetragenen Beispiele für die “Bekämpfung” der Neonaziszene in Wurzen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als nichts weiteres als Imagepflege ohne echte Konsequenzen. Die Augen werden davor verschlossen, dass beispielsweise die immer wieder erwähnten Gedenksteine für die Opfer des Nationalsozialismus regelmäßig zerstört werden.
Wurzen will das “Stigma als rassistische Kommune” loswerden, aber die Lösungsansätze der Stadt erscheinen zynisch, wenn sich die Geflüchteten nach Jahren der rassistischen Erniedrigungen und Angriffen mit den Täter*innen an einen “Runden Tisch” setzen sollen. Im Nachgang werden dann Veranstaltungen als Erfolg gefeiert, bei denen rassistische Ressentiments frei geäußert werden konnten, ohne dass sie kritisiert wurden. Das zeigt, dass “Demokratie in Wurzen” bedeutet, dass sich nur weiße Deutsche beteiligen können und nur ihre Perspektive und Wünsche zählen.
In einem solchen Klima fühlen Neonazis sich wohl, gestärkt und ziehen sich dorthin zurück. Dieses Problem geht die Stadt nicht ernsthaft an. Im Aufruf des Bündnis heißt es dazu: “[Wurzen ist] seit mehr als 20 Jahren Schwerpunkt neonazistischer Gewalt und Strukturen in der Region Leipzig. In diesem Ort wohnen wichtige Organisatoren für den Neonaziangriff im Januar 2016, als in Connewitz knapp 250 Neonazis auf der Wolfgang-Heinze-Str. Menschen und Häuser angriffen. Ebenso leben in Wurzen auch Protagonisten, die kontinuierlich die LEGIDA-Aufmärsche organisierten und unterstützten. Des Weiteren konnten sich in Wurzen neonazistische Vertriebsstrukturen etablieren, mit deren Hilfe sie Gelder akquirieren.”
Abschließend erklärt das Bündnis “Irgendwo in Deutschland”:
“Solange Wurzen sein Image wichtiger ist als das ernsthafte Erkennen und Bekämpfen von Rassismus und Neonazi-Szene und sich damit nichts verändert, werden wir die Stadt im Blick behalten und gern wiederkommen.”
Weitere Informationen:
Aufruf zur Demonstration:
https://irgendwoindeutschland.org / aufruf-das-land-rassistisch-derfrieden-volkisch-unser-bruch-unversohnlich-wurzen0209/
Internetseite des Bündnis: https://irgendwoindeutschland.org
Twitter: @irgendwoinde
Chronik rechter Gewalt in Wurzen seit 2003: https://linksunten.indymedia.org/de/node/219786
PM: Wurzen hat kein Imageproblem, sondern ein Problem mit Rassismus und Neonazismus
– Pressemitteilung vom 31.07.2017