Pressemitteilung: 500 Antifaschist*innen stören den rassistischen Normalzustand in Wurzen

Am Samstag, den 02.09.2017, fand eine antifaschistische Demonstration mit 500 Teilnehmenden in Wurzen statt. Das Bündnis „Irgendwo in Deutschland“ hatte parallel zum „Tag der Sachsen“ zur Demonstration „Das Land rassistisch – der Frieden völkisch – unser Bruch unversöhnlich“ aufgerufen. „Hintergrund der Demonstration waren die kontinuierlich gewachsenen Neonazistrukturen und die daraus folgenden rassistischen Übergriffe, die in Wurzen zum Alltag gehören.“, so Sandra Merth, die Sprecherin des Bündnis.
Konfrontiert wurde die Demonstration zunächst mit einem martialischen Polizeiaufgebot von mehreren Hundertschaften, fünf Wasserwerfern und dem SEK. Medial wurde die Stimmung schon Wochen vor der Demonstration angeheizt: Es war stets die Rede von einem „zweiten Hamburg“ oder einem „zweiten G20“. „Dies machte es sehr schwer, unsere Inhalte gerade an die Wurzener*innen zu vermitteln. Stattdessen schürte das massive Polizei-Aufgebot und das Medienecho zuvor ein Szenario der Angst“, so die Sprecherin weiter.
Die Demonstration lief entschlossen aber friedlich an verbarrikadierten Läden und unzähligen Kameras von Außenstehenden vorbei. Sie machte mit Transparenten und zahlreichen Redebeiträgen dennoch auf den rassistischen Alltag und die Mobstimmung in Wurzen aufmerksam. Diese war durch die vielen hitlergrüßenden und vermummten Neonazis am Rande der Demonstration an diesem Tag auch mehr als sichtbar. Die Neonazis versuchten wiederholt, die Demonstration und anwesende Journalist*innen anzugreifen.
Noch zuvor lies die Polizei verlauten, dass das eigene Aufgebot zum Schützen der Antifaschist*innen aufgefahren wurde. Dass dieser vermeintliche Schutzauftrag nur vorgeschoben war, zeigte sich als die Angegriffenen selbst verteidigen mussten, Täter lediglich ermahnt wurden und die Beamten sich bei den vielen bei Hitler- und Kühnengrüßen für „nicht zuständig“ erklärten.
„Mit einem solchen Szenario haben wir im Vorfeld gerechnet, hier waren die Wurzener Zustände für alle sichtbar,“ sagt Sandra Merth.
Trotz Routenänderung und zurückgezogenen Gegenveranstaltungen konnte die Demonstration die Aufmerksamkeit auf prägnante Punkte der gut vernetzten und umtriebigen Neonaziszene richten. Vom Lautsprecherwagen waren dazu immer wieder Informationen zu hören. „So wurde beispielsweise der langjährige Sitz von dem Neonazi-Label ‚Front Records‘ in der Walther-Rathenau-Straße thematisiert. Ebenso wurden die rassistischen Übergriffe in der Pestalozzi-Schule und auf Wohnungen von Geflüchteten an den entsprechenden Orten skandalisiert,“ beschreibt Merth die Route.
„Wir waren sehr erfreut, dass trotz der vorherigen Angstmache auch engagierte Wurzner*innen den Weg auf unsere Demonstration gefunden haben, und hoffen, dass die Demonstration weitere Wurzener*innen für unsere Inhalte sensibilisiert wurden und sich den rassistischen Zuständen in Zukunft entgegenstellen werden“ so Sandra Merth weiter.

PM: Antifa-Demo am 02.09.: Rassistische Hochburg Wurzen entnazifizieren – Tag der Sachsen abschaffen!

– Pressemitteilung vom 31.08.2017 –
Für Samstag, 2. September 2017, ruft das “Irgendwo in Deutschland”-Bündnis zu einer bundesweiten Antifa-Demonstration unter dem Motto “Das Land – rassistisch, Der Frieden – völkisch, Unser Bruch – unversöhnlich” in Wurzen bei Leipzig auf. Gruppen aus Berlin, Hamburg, Leipzig, Nürnberg und Rostock mobilisieren zu der Demo. Sandra Merth, Sprecherin des Bündnis, erläutert, warum Wurzen als Ort gewählt wurde: “Wurzen war bereits in den 1990ern bekannt als national befreite Zone. Auch wenn sich manches geändert hat: bis heute ist Wurzen ein Rückzugsort für militante Nazi-Strukturen wie das weitverzweigte Geschäftsnetzwerk um den Rechtsrock-Versand “Front Records”, der auch an den Konzerten in Themar beteiligt ist. Nazis können sich in Wurzen ungehindert bewegen und sind selbstverständlicher Teil der Stadtgesellschaft, etwa im lokalen Sportverein. Mindestens acht Personen aus Wurzen waren auch an dem Nazi-Angriff auf Connewitz im Januar 2016 beteiligt.” Zugleich benennt Merth Wurzen als “rassistische Hochburg”: “In Wurzen kommt es immer wieder zu massiven rassistischen Angriffen, die sich häufig gegen die Wohnungen von geflüchteten Menschen richten und damit besonders bedrohlich sind. So im Juni 2017, als 60 Personen versuchten, eine Wohnung von Geflüchteten zu stürmen. Ende August 2016 demonstrierten sogar hunderte Wurzener_innen gemeinsam mit bekannten Nazis und dem zwischenzeitlichen Anführer von LEGIDA. Und vor zwei Jahren mussten Geflüchtete während des “Tags der Sachsen” sogar aus Wurzen ausquartiert werden. Nur die wenigsten Wurzener_innen stellen sich deutlich gegen diese rassistischen Übergriffe.” Auch die antirassistischen und demokratischen Strukturen vor Ort waren bereits mehrfach Angegriffen ausgesetzt. Im August letzen Jahres wurden beim Netzwerk für Demokratische Kultur die Fensterscheiben eingeworfen. Einige Monate später versuchten Nazis dort ein Treffen von Refugee-Supporter_innen zu stören und die Aktivist_innen einzuschüchtern.
In den letzten Wochen kam es zu einer intensiven medialen Hetze gegen die Demonstration insbesondere seitens der “Leipziger Volkszeitung”, unterstützt durch rechte und rechtsoffene Facebook-Seiten aus Wurzen. Merth dazu: “Bei den Nazi-Demos in Wurzen gab es im Vorfeld nie eine solche Aufregung wie bei der von uns angekündigten Demonstration. Offenbar gelten Nazis den meisten Wurzener_innen nicht als Bedrohung. Genau gegen diesen völkischen Frieden richtet sich unsere Demonstration – unser Bruch mit der rassistischen Gemeinschaft ist unversöhnlich”. Mit der Demonstration soll jedoch nicht nur Wurzen in den Fokus genommen: “Die Situation in Wurzen steht exemplarisch für die sächsischen Zustände. Wir demonstrieren daher auch bewusst am Wochenende des “Tags der Sachsen”, der dieses Jahr in Löbau stattfindet. Bereits mehr als die Hälfte der Geflüchteten, die seit 2015 nach Sachsen gekommen waren, sind bereits wieder weggezogen oder abgeschoben. Solange in Sachsen weiterhin tagtäglich Geflüchtete angegriffen werden, gibt es nichts zu feiern. Wir fordern daher die Abschaffung des “Tags der Sachsen”. Das gesparte Geld sollen Geflüchteten zum Zweck der Selbstverteidigung erhalten, damit sie sich besser gegen rassistische Angriffe zur Wehr setzen können.”
Demonstration “Das Land – rassistisch, Der Frieden – völkisch, Unser Bruch – unversöhnlich”
15.00 Uhr Wurzen Bahnhof

PM: Wurzen hat kein Imageproblem, sondern ein Problem mit Rassismus und Neonazismus

– Pressemitteilung vom 31.07.2017

Erstaunt hat das bundesweite Bündnis “Irgendwo in Deutschland” das Presseecho auf die geplante Demonstration “Das Land – rassistisch, Der Frieden – völkisch, Unser Bruch – unversöhnlich“ am 02.09.2017 in Wurzen wahrgenommen.
Das politische Kalkül der Stadt, die Hamburger Anmelde-Struktur sowie den Namen des Anmelders in den Vordergrund zu stellen, ist mehr als durchsichtig. Die Inhalte des Bündnisses sollen so offensichtlich in den Hintergrund gedrängt werden. Gleichtzeitig soll unser Protest kriminalisiert werden. Um sich nicht mit der Wurzener Neonazi-Struktur und dem gesellschaftlichen Rassismus auseinandersetzen zu müssen, wird in der Stadtgesellschaft der Ruf nach einem Verbot der Demonstration laut.
Während also die Stadtgesellschaft mit suggestiven Bildern aufgewiegelt wird, gerät völlig in Vergessenheit, dass es die Verfasstheit der Stadt Wurzen ist, die das Bündnis “Irgendwo in Deutschland” bewogen hat, diesen Ort für ihre Demonstration auszuwählen. Das Bündnis möchte mit dieser Wahl auch auf sächsische und deutsche Verhältnisse hinweisen, die sich hier zuspitzen.
So heißt es im Aufruf zur Demonstration: “Dabei ist die gesellschaftliche und strukturelle Verankerung der rechten Szene in Sachsen ein wesentlicher Grund dafür, dass sich hier über mehrere Jahre rassistische und rechte Mobilisierungen halten und ausbreiten konnten. Bundesweit sind Orte wie Bautzen, Clausnitz, Freital, Heidenau bekannt geworden für eben diese Mobilisierungen und Gewalt gegen Geflüchtete, ihre Unterstützer*innen und Linke. Sie sind Beispiele und Vorbilder für rechte Bewegungen.”
Die vom Wurzener Bürgermeister vorgetragenen Beispiele für die “Bekämpfung” der Neonaziszene in Wurzen entpuppen sich bei näherem Hinsehen als nichts weiteres als Imagepflege ohne echte Konsequenzen. Die Augen werden davor verschlossen, dass beispielsweise die immer wieder erwähnten Gedenksteine für die Opfer des Nationalsozialismus regelmäßig zerstört werden.
Wurzen will das “Stigma als rassistische Kommune” loswerden, aber die Lösungsansätze der Stadt erscheinen zynisch, wenn sich die Geflüchteten nach Jahren der rassistischen Erniedrigungen und Angriffen mit den Täter*innen an einen “Runden Tisch” setzen sollen. Im Nachgang werden dann Veranstaltungen als Erfolg gefeiert, bei denen rassistische Ressentiments frei geäußert werden konnten, ohne dass sie kritisiert wurden. Das zeigt, dass “Demokratie in Wurzen” bedeutet, dass sich nur weiße Deutsche beteiligen können und nur ihre Perspektive und Wünsche zählen.
In einem solchen Klima fühlen Neonazis sich wohl, gestärkt und ziehen sich dorthin zurück. Dieses Problem geht die Stadt nicht ernsthaft an. Im Aufruf des Bündnis heißt es dazu: “[Wurzen ist] seit mehr als 20 Jahren Schwerpunkt neonazistischer Gewalt und Strukturen in der Region Leipzig. In diesem Ort wohnen wichtige Organisatoren für den Neonaziangriff im Januar 2016, als in Connewitz knapp 250 Neonazis auf der Wolfgang-Heinze-Str. Menschen und Häuser angriffen. Ebenso leben in Wurzen auch Protagonisten, die kontinuierlich die LEGIDA-Aufmärsche organisierten und unterstützten. Des Weiteren konnten sich in Wurzen neonazistische Vertriebsstrukturen etablieren, mit deren Hilfe sie Gelder akquirieren.”
Abschließend erklärt das Bündnis “Irgendwo in Deutschland”:
“Solange Wurzen sein Image wichtiger ist als das ernsthafte Erkennen und Bekämpfen von Rassismus und Neonazi-Szene und sich damit nichts verändert, werden wir die Stadt im Blick behalten und gern wiederkommen.”
Weitere Informationen:
Aufruf zur Demonstration:
https://irgendwoindeutschland.org / aufruf-das-land-rassistisch-derfrieden-volkisch-unser-bruch-unversohnlich-wurzen0209/
Internetseite des Bündnis: https://irgendwoindeutschland.org
Twitter: @irgendwoinde
Chronik rechter Gewalt in Wurzen seit 2003: https://linksunten.indymedia.org/de/node/219786