Ort: Cottbus (Brandenburg)
Bevölkerung: knapp über 100.000 Einwohner*innen
… das „moderne Zentrum der Lausitz […] will Vorreiter der Digitalisierung sein und Wasserstoff Modellstadt werden.“ Außerdem ist Cottbus laut Selbstbeschreibung „eine junge Universitäts- und traditionelle Parkstadt. Cottbus/Chóśebuz – ein Fleckchen Erde zum Wohlfühlen“ (cottbus.de).
Wohlgefühlt haben sich dort schon in den 1990er Jahren die Nazis. Im Zuge der #Baseballschlägerjahre gab es viele Berichte über eine gewaltvolle und verängstigte Jugend in der schönen Lausitz für (fast) alle, die nicht stramm rechts waren. So gab es bereits vor dem Systemwechsel enge und persönliche Verbindungen zwischen organisierten Neonazistrukturen in Cottbus und in Westdeutschland. Nach dem Ende der DDR konnten die von der BRD damals freigekauften Neonazis zurück in den Osten kommen und ihr Erfahrungen und Kontakte aus Westdeutschland für einen raschen Aufbau neuer Strukturen im Osten bzw. gut organisierte Angebote für die zuvor sehr klandestin agierenden Nazis schaffen.
Wie sich die Selbstverständlichkeit extrem rechter Präsenz im Alltagsleben einer Stadt fortschreibt, kann man im jungen und modernen Cottbus sehr gut beobachten. Die Verstrickungen von Stadtgesellschaft, Kommunalpolitiker*innen, Sicherheitsfirmen, Kampfsportszene, Fußballszene und Neonazis könnt ihr in unserem Beitrag zum #Kaltortranking2018 nachlesen. Die Ergebnisse der Landtagswahlen sprechen auch für sich – stärkste Partei in Cottbus ist die AfD. Jede*r vierte Wähler*in hat extrem rechts gewählt.
Im Herbst bedrohten Nazis und Hooligans öffentlich Klimaschutzaktivist*innen. Dies geschah zum Teil über Social Media Kanäle, aber auch im Fußballstadion zeigten die Fans des Energie Cottbus ein Banner mit der Aufschrift: „Wann Ende im Gelände ist, bestimmt nicht ihr! Unsere Heimat – unsere Zukunft! Ende Gelände zerschlagen“. Nicht nur deshalb, sondern auch, weil es bei den Protesten 2016 massive Bedrohung und Angriffe durch Nazis gab, waren die Aktivist*innen in einer gefährlichen Situation. Dass auf die Brandenburger Polizei in diesem Kontext keine große Hoffnung gesetzt werden kann, ist eh klar. Aber als dann Polizist*innen im Vorfeld der Proteste ein Nazi-Graffiti überstreichen sollten und die Kürzel DC (= Defend Cottbus) stehen lies, mussten auch die Behörden reagieren und die Beamt*innen rügen. Daraus dürfe aber natürlich auf keinen Fall geschlossen werden, dass die Stadt, das Land oder die Polizei ein Naziproblem hätten. Hier liegt eben auch das Problem: die wenigsten haben hier ein Problem mit Nazis.
Im Jahr 2019 wurde auch der Falle eines Kinderheims in der Nähe von Cottbus öffentlich, in dem die Mitarbeitenden sehr autoritäre und gewaltvolle Maßnahmen gegen die dort lebenden Jugendlichen praktizierten. Eine Person wurde hier vorerst beurlaubt – in der weiteren Recherche stellte sich heraus, dass es sich bei diesem Sozialarbeiter um einen der führenden Kader der Identitären Bewegung in Cottbus handelt.
Nazis haben zwar Namen und Adressen – aber wenn niemand sich an ihnen stört, dann ist das eben auch egal. Dann haben sie auch Jobs und Geld und Einfluss und Ansehen und und und mit Cottbus ein Fleckchen Erde zum Wohlfühlen.
Quellen:
www.cottbus.de
www.belltower.news/jahresrueckblick-2019-brandenburg-cottbus-und-die-lausitz-als-inbegriffe-rassistischer-mobilisierung-94189/
www.rosalux.de/fileadmin/rls_uploads/pdfs/sonst_publikationen/Broschur_Zukunft-Heimat.pdf