Rostock Lichtenhagen und das Ringen um Gedenkperspektiven
Vortrag mit anschließender Diskussion
24.08.17 19:00 Uhr Gängeviertel Seminarraum 4.OG
Die Jahrestage des Pogroms von Rostock-Lichtenhagen prägen seit jeher Konflikte um die Form des Gedenkens. Staatlicherseits wird die tagelange rassistische Gewalt als ein „Schrecken“ bezeichnet, der heute Aufruf sei, „Fremdenfeindlichkeit“ abzubauen. Staatliche und städtische Gedenkveranstaltung kommen so oft als Imagekampagne für ein besseres Miteinander daher und ignorieren damit aktiv die rassistische Verfasstheit der Gesellschaft. Sie schiebt die Verantwortung für die Gewalt in die Vergangenheit oder auf einzelne Täter ab. Linkes und zivilgesellschaftliches Gedenken agiert hingegen aus einer anderen Motivationslage. Der konkrete Ablauf der Ereignisse steht hier im Mittelpunkt, oft um die Ereignisse auf die Gegenwart hin zu interpretieren und auf eine linke Perspektivsuche zu gehen.
Doch auch diese Herangehensweisen birgt das Problem das Pogrom von Lichtenhagen zu instrumentalisieren. So drehen sich viele linke Perspektiven auf Lichtenhagen um die temporäre Niederlage gegen die Gewalt der Deutschen, worauf eine neue Form antifaschistischen Widerstands erwuchs. Wie selbstverständlich werden dabei Antifas und Nazis in ihrer Gegenerschaft zueinander zu den Hauptakteur_Innen des Geschehenen. Die Opferperspektive hat in der militärischen Auswertung dieser Konstellation keinen Platz. Wie kann es aber sein, dass ein antirassistisches Gedenken keinen Platz für jene bietet, die Rassismen tagtäglich begegnen müssen? Wie kann linke Praxis eine Rassismusanalyse entwickeln, wenn innerhalb der linken Szene Migrations- und Rassismuserfahrungen nur marginal vorhanden sind?
Sind Jahrestage der richtige Zusammenhang Rassismus zu thematisieren und wenn ja, dann wie?
Die Kampagne „Rassismus tötet!“ versuchte zwischen 2012 und 2013 die in enger Verbindung stehenden Jahrestage der Morde von Mölln und Solingen, der Pogrome von Hoyerswerda, Rostock und Mannheim sowie der Asylrechtsreform in ihrem politischen Kontext zu thematisieren. Die Erfahrungen, die die Kampagne mit ihrer Arbeit gemacht hat und die Kritik, die sie erfahren hat, könnten auch für zukünftiges Gedenken wichtig sein. In Form eines Vortrages werden einige Ideen und Fallstricke der Kampagne vorgestellt, um einen Ausgangspunkt für eine gemeinsame Debatte um antirassistische Praxis und migrantisierte Erinnerungsformen zu schaffen.