Köthen – Welthauptstadt der Homöopathie
Einwohner*innenzahl: 26.157
Nominiert weil: Die meisten kannten die Kleinstadt Köthen bis zum September diesen Jahres vermutlich nicht. Köthen ist eine durchschnittliche ostdeutsche Kleinstadt in Sachsen-Anhalt, irgendwo zwischen Halle und Magdeburg. Der Begründer der Homöopathie lebte lange hier, womit Köthen den Titel „Welthauptstadt der Homöopathie“ erlangt hat. Doch in Köthen gilt der Anspruch auf Gesundheit nicht für alle Menschen.
Am 09.09.2018 hat sich in Reaktion auf den Tod eines jungen Mannes ein völkischer Mob zu einem sog. „Trauermarsch“ zusammengefunden, bei dem insgesamt 2500 organisierte Nazis und Rassist*innen aus Köthen und Umland durch die Stadt gezogen sind. Treffpunkt war, passenderweise, der Friedenspark in der Stadt. Die Demonstration war ein Happening für die ganze Familie und Sammelbecken unterschiedlicher völkischer Akteure wie Pegida, dem Magazin „Compact“, „Zukunft Heimat“ wie auch der AfD. Einer der Organisator*innen war David Köckert, bekannter Nazi der Thüringer Szene und Mitbegründer von „Thügida“. In seiner Rede verwendete er eine offene völkische und NS verharmlosende Rethorik – die Köthener Polizei stand daneben und hörte zu.
Es waren auch etwa 150 Antifaschist*innen vor Ort, die nur durch einen Polizeikessel vor einem Angriff geschützt wurden. Die Unterkunft für Geflüchtete in der Stadt wurde an besagtem Abend von der Polizei geräumt – aus Sicherheitsgründen.
Diese völkische Ideologie ist nicht neu in Köthen, die Stadt gilt seit Jahren als Nazihochburg. Die AfD hat bei der letzten Bundestagswahl insgesamt 22% der Stimmen bekommen. In den letzten Jahren gab es mehrere rassistische Angriffe, u.a. wurde im September 2016 die Tür einer Unterkunft für Geflüchtete in Brand gesetzt. Im Oktober 2016 wurde der alte jüdische Friedhof der Stadt geschändet.
Doch die Idee von Frieden wird in Köthen groß geschrieben. In Reaktion auf die Nazis und eine linke Gegendemo organisierten einige Bürger*innen der Stadt eine Malaktion mit Kreide auf dem Marktplatz, um das Ansehen der Stadt wieder aufzupolieren. Die Message ist klar: „Wir brauchen beide nicht in unserer Stadt“ – Nazis UND die Antifa. Wie immer ist nicht der völkische Mob das Problem. So lautete die Quintessenz einer der Mitorganisator*innen der Aktion „Friedliches Köthen“: „Es haben sich in den letzten Tagen alle ausgetobt und jetzt ist gut. Die schweigende Mehrheit in dieser Stadt wünscht sich Frieden. Wenn der Spuk vorbei ist, wollen wir in Frieden weiterleben und uns in die Augen sehen können“. Dementsprechend hat der Oberbürgermeister Bernd Hauschildt den Anwohner*innen der Stadt geraten, am Abend einer Demonstration besser zuhause zu bleiben und die Rollläden der Fenster runter zu lassen – um ein Zeichen zu setzen, „dass man die nicht sehen will“.
Fazit:
In Köthen zeigt sich mal wieder das Zusammenspiel von organisierten Nazistrukturen, ganz normalen Rassist*innen, Politik und Polizei. Als Reaktion auf den rassistischen Mob wird das Image der Stadt mit bunter Kreide wieder hergestellt und die Vorhänge zugezogen. Damit verdient Köthen die Auszeichnung als #Kaltort 2018 und viele weitere antifaschistische Aktionen zur Störung des Volksfriedens.
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