Eisenach, Kaltort-Ranking 2018

Luther, Burschenschaftler und Nazis – Wilkommen in Eisenach

Einwohner*innenzahl: 42.700
Nominiert weil:
Eisenach, eine kleine Stadt irgendwo in Deutschland. Genauer: irgendwo im grünen Herzen Deutschland, wie sich Thüringen selbst nennt. Beschaulich am Rande eines grünen Waldes. Eine Stadt die sich gerne mit ihrer Landschaft und Kultur schmückt. Hier hat einst Martin Luther auf der Wartburg das neue Testament übersetzt. Die Person, die auf der Wartburg den Teufel an der Wand gesehen haben soll. Eine kritische Auseinandersetzung mit Martin Luther findet in Eisenach kaum statt, nicht mit seinem Antisemitismus, nicht mit seinem Frauenhass. Auch Burschenschaften haben hier ein Teil ihrer Entstehungsgeschichte. Vielleicht ist es halt auch kein Wunder das Nazis sich hier so heimisch fühlen, Eisenach ist so deutsch. Eine Stadt von Deutschen für Deutsche.
Dabei wäre diese Stadt doch so gerne weltoffen, was sie auch gerne propagiert. Das Stadtbild wird jedoch geprägt durch Graffitis und Sticker mit eindeutig nationalsozialistischen Botschaften. Ein Entrinnen ist nicht möglich, überall ist zu lesen, „Nazi Kiez, NS Zone, White Revolution, I Love NS, Nationaler Aufbau“ usw. Die gut vernetzte Naziszene tritt mit einem hohen Gewaltpotenzial, selbstbewusst und in Gruppenstärke auf. Ihre Taktik ist, alles was nicht in ihr Weltbild passt (Antifaschist*innen, Migrant*innen, Geflüchtete und Antirassist*innen) einzuschüchtern, zu bedrohen, handlungsunfähig zu machen und sie zurückzudrängen. Im Stil der Autonomen Nationalisten und mit jugendkulturellem Verve versuchen sie hip rüber zu kommen.
Mit dem „Flieder Volkshaus“ hat die NPD seit 2014 auch ihre eigene Immobilie, und bietet damit einen Treffpunkt zum vernetzen und hetzen. Auch finden regelmäßig Konzerte von bekannten Rechtsrockbands statt, z.B. gastierten hier schon „Kategorie C“, „Die Lunikoff Verschwörung“, und „Flak“. Oder sie laden Shoah-Leugner wie Ursula Haverbeck ein. Von Reichsbürger*innen über Identitäre Bewegung, bis hin zu „Besorgten Bürger*innen“ ist in Eisenach alles, was rechtsoffene Tendenzen aufweist, vertreten. Leider lässt sich auch die bürgerliche Mitte davon blenden und surft auf der braunen Welle mit. Warum sonst findet Patrick Wieschke mit seinen regelmäßigen „überparteilichen“, polarisierenden Demonstrationen so viel Anklang in der Stadt. Hier verbreitet der Patrick sein menschenverachtendes Weltbild und seine rassistische Hetze. Ein Blick in die Lebensgeschichte, dieses Patricks zeigt, alles wovor er Angst schürt ist eigentlich er selber. In der Nacht zum 10. August 2000 war Patrick Wieschke an einem Sprengstoffanschlag an der Eingangstür eines türkischen Imbisses in Eisenach als Anstifter beteiligt. In seinem Lebenslauf sind mehrere Straftaten wegen Körperverletzung und Volksverhetzung zu finden. Aber auch der Vorwurf der Vergewaltigung und Kindesmissbrauch findet sich bei Patrick. Ja, Patrick ist ein ehrenvoller Deutscher. Trotzdem hat er mit dieser Masche Erfolg. Dies lässt sich gut in den angeblich unpolitischen Facebookgruppen „Sicherheit für Eisenach“ und „Interessantes in Eisenach“ beobachten. Hier scheint seine rassistische Hetze willkommen zu sein und findet regen Anklang. Der gescheiterte Oberbürgermeisterkandidat der AfD, Gregor Modos, hat mit dem braunen Sumpf in Eisenach kein Problem, wie auch anders zu erwarten. Er sieht die „Linksextremisten“ als Gefahr an. Angeblich wurden doch AfD Mitglieder*innen in Eisenach beschimpft. Konkrete Beispiele dazu konnte er nicht nennen. So wundert es auch nicht, das die Spuren des NSU auch bis Eisenach reichen. Hier ist der Ort wo die Uwes ihre letzte Bank überfielen und sich anschließend im Wohnmobil erschossen haben. Wer die Kontaktmänner in Eisenach waren, viele können es sich denken. Auch hier wurde gegen den Patrick ermittelt, nachzuweisen ist ihm angeblich nix.
Antifaschist*innen werden hier regelmäßig zum Angriffsziel von Nazischlägern. So wurde erst im Dezember ein Jugendlicher aufgrund antifaschistischer Buttons bedroht. Im Oktober 2018 wurde auf dem Bürgersteig vor dem Jugendbüro RosaLuxx eine Opfersilhouette aufgemalt, wie man sie aus Krimiserien kennt. Der Umriss wurde mit „A.L.ESA (Antifaschistische Linke Eisenach)“ betitelt und trägt einen großen Farbfleck im Bauchraum. Diese Metapher stellt ohne Zweifel eine gefährliche Morddrohung dar. Wenn es nach den Neonazis geht, soll Blut fließen. Der Platz der alten Synagoge wird regelmäßig von Nazis mit Hakenkreuzen beschmiert. Zwischen 2015-2018 wurden in Eisenach offiziell 195 rechte Straftaten festgestellt, hinzukommen 104 Straftaten im umgebenden Wartburgkreis. Zu diesen Straftaten kommen noch zahlreiche Demonstrationen und Veranstaltungen. In diesen Straftaten sind 7 Körperverletzung und 10 besonders starke Körperverletzungen vertreten., sowie Sachbeschädigung und Volksverhetzung. Die Dunkelziffer wird durchaus höher liegen, viele Opfer schrecken aus Angst vor Repressionen, vor Anzeigen zurück. Erst am 12. Dezember 2018 fand eine länderübergreifenden Razzia wegen Fortführung des verbotenen „Blood & Honour“-Neonazi Netzwerkes statt, bei dem Polizisten ebenfalls in Eisenach Durchsuchungsmaßnahmen durchführten.
Wie auch nicht anders zu erwarten, wird von offizieller Stelle natürlich kein Nazi-Problem gesehen und immer wieder relativiert. Stattdessen bräuchte es dringend Räume für antifaschistische und antirassistische Projekte. Es werden dringend Strukturen benötigt, die Jugendliche vor Ort schützen, vor den marodierenden braunen Massen.
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Spiegel: NPD-Spitzenkandidat Wischke stand 2001 unter Mißbrauchsverdacht
Spiegel: Anschlag auf Dönerimbiss
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