Cottbus – „modern und liebenswert“
Einwohner*innenzahl: 101.036
Nominiert weil:
In der Niederlausitz, im Süden des Bundeslandes Brandenburg, liegt Cottbus. Die kreisfreie, mal Großstadt mal nicht, fällt in letzter Zeit vermehrt durch rassistische und extrem rechte Vorfälle auf. Doch haben solche durchaus Tradition in dem selbsternannten „Fleckchen Erde zum Wohlfühlen“, wie es auf der Homepage der Stadt heißt. Zur Fußball-WM 2006 (Motto: Die Welt zu Gast bei Freunden) gab es ‚Reisewarnungen‘ für bestimmte Regionen (Ost-)Deutschlands. Verschiedene Initiativen und Personen machten öffentlich darauf aufmerksam, dass die Wahrscheinlichkeit Opfer rassistischer Übergriffe zu werden in diesen besonders hoch ist. Cottbus gehörte damals bereits selbstverständlich dazu. Doch nicht nur Alltagsrassismus fühlt sich in Cottbus wohl. Die Stadt und das Umland bietet seit Jahren Nazis Lifestyle und Auskommen. Um den Fussballverein FC Energie aus der 3.Liga sammelt sich eine stramm rechte Fußballfanszene, die durch gewalttätige Hools und rassistische Vorkommnisse auffällt. Da wird dann schon mal der Aufstieg in Ku-Klux-Klan-Stil auf dem zentralen Marktplatz gefeiert. Desweiteren bietet die vor Ort gegründete Kleidungsmarke Label 23 – Boxing Connection dem modebewussten Streetfighter die geeignete Klamotte. Das Geld dafür kann er sich in einigen der 52 privaten Sicherheitsfirmen verdienen, die vom rechten Rocker, über Hool auch Nazis gern beschäftigten.
Anfang 2018 gesellte sich dann ein weiterer Akteur zum rassistischen Stelldichein in Cottbus – der Verein „Zukunft Heimat“. Seit 2015 mobilisiert und hetzt er als „asylfeindlicher Protest“ bereits in ganz Brandenburg. Auschlaggebend für den regen Zulauf im Winter 2018, waren zwei Fälle von Auseinandersetzungen im Januar zwischen Deutschen und geflüchteten Syrern, wobei beide Male Messer von den Syrern eingesetzt wurden, Verletzte gab es in einem Fall. Zukunft Heimat griff diese Vorfälle wohlwollend auf und führte nun verstärkt Kundgebungen und Demos durch mit bis zu 5.000 Teilnehmer*innen. Seit an Seit marschierten maximalbesorgte Bürger*innen, AfD-Politiker*innen mit Nazis und rechten Hools. Christoph Bernd, Zukunft-Heimat Chef begrüßt es sogar, wenn bekannte Rechtsextreme an seinen Demos und Kundgebungen teilnehmen, so lange sie dort friedlich bleiben würden. Dass es im Nachgang und im Umfeld seiner Veranstaltungen verstärkt zu gewalttätigen Übergriffen kam, interessiert oder stört ihn offensichtlich nicht. Hierunter fällt der Angriff auf den Bus der mehrheitlich migrantischen Frauen*-Initiative „Women in Exile“, der nach ihrer Demonstration gegen Rassismus und Ungleichheit in Cottbus zerstört wurde. Auch die Stadt reagierte auf die Vorfälle. Sie sprach eine ‚negative Wohnsitzauflage‘ quasi eine Stadtverweis für einen der beteiligten Syrer und seinen Vater aus, welche nach ca. 8 Wochen aufgehoben wurde. Um die Sicherheit oder zumindest das Sicherheitsgefühl in der Stadt zu erhöhen, laufen bis heute Polizei und Ordnungsamt gemeinsam vermehrt Streife und kontrollieren dabei vor allem dem Anschein nach Nichtdeutschaussehende. Der Cottbusser Oberbürgermeister (CDU) nutze die Chance, um sich im Landtag rassistisch zu äußern, einen generellen Aufnahmestopp für Geflüchtete in Cottbus zu fordern und die Migrationspolitik seiner damaligen Parteivorsitzenden Merkel zu kritisieren. Opferberatung und Bürgerbündnisse kritisieren die einseitige Wahrnehmung und Strafverfolgung in diesen Fällen. Im Herbst 2017 kam es zu einem Unfall, bei der eine ägyptische Studentin verstarb. Zeugen sagten damals aus, dass der Wagen nicht nur viel zu schnell unterwegs war, sondern der junge Fahrer die schwer verletzte Studentin dazu noch rassistisch beleidigte am Unfallort. Die Ermittlungen dahingehend wurden fallen gelassen. Laut der Opferberatung finden zwischen 5 und 10 rechtsextreme Übergriffe pro Woche statt, die in den seltensten Fällen juristische Folgen für die Täter*innen haben. Der Angriff von Rechtsextremen gegen Geflüchtete in der Silvesternacht zu 2018, die unter Mithilfe des Sicherheitsdienstes in die Unterkunft ihrer Opfer gelangen konnten, nach dem sie diese auf der Straße verfolgt und verprügelt hatten – blieb ohne große mediale Beachtung, obwohl die Täter ermittelt wurden. Nach einer Massenschlägerei kurz vor dem Stadtfest im Sommer macht der Bürgermeister nochmals Stimmung gegen Geflüchtete und stellt in Frage, ob die Sicherheit auf dem Stadtfest für Cottbusser*innen ausreichend gegeben sei. Es werden gegen 40 Personen richterliche Anordnungen ausgesprochen, sich von dem Stadtfest fernzuhalten – zwei davon sind Deutsche. Das Stadtfest wird dann von dem privaten Sicherheitsdienst eines bekannten Rockers und der Polizei bewacht.
Cottbus ist ein #Kaltort2018 weil sich hier zeigt, wie Strukturen von organisierten gewalttätigen Neonazis über lange Zeit nicht nur unwidersprochen bestehen sondern vollkommen im öffentlichen und ökonomischen Leben integriert sind. Gemeinsam mit den rassistischen Aussagen und Entscheidungen führender Politiker*innen und der Zustimmung vieler Bürger*innen bietet es die beste Grundlage für eine Klima der Angst, dass jene zu spüren bekommen, die Ziel dieses Hasses sind oder dem rassistischen Konsens widersprechen.
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